Heute gibt es zum Anfang meines Reiseberichts eine rasante Autofahrt in das Zentrum der Millionenstadt Manaus. Es ist eine Fahrt, wie man sie nicht alle Tage erlebt. Danach sind wir in den Markthallen der Stadt, beobachten das Treiben der Fischhändler und schippern vom Rio Negro zum Amazonas mit seinen Nebenarmen. Am Abend geht es in die berühmte Oper der Stadt.
Abenteuer Autofahrt
Es wird bereits dunkel, als wir mit neun Personen in unserem Kleinbus wieder in Richtung Manaus fahren. Der Tag war anstrengend, sehr heiß und wir besuchten drei verschiedene Orte. Idyllische Badeplätze aus einer Fantasiewelt, eingebettet in traumhafte Landschaften, geformt aus Felsgestein und üppig dekoriert mit dem bizarren Grün der Regenwaldpflanzen. Mittendrin wir, in erfrischendem kühlen Nass. Derjenige, der uns diese Stellen gezeigt hat, ist ein alter Indianer aus dem Norden von Brasilien.
Jetzt sitzt er am Steuer und fährt uns wieder zurück in unser Hostel. Die Wärme und das gleichförmige Motorengeräusch lasten schwer auf den Augenlidern und bereitwillig lassen wir sie nach unten sinken.
Als ich wieder erwache, ist es finster. Die Scheinwerfer unseres Fahrzeugs leuchten kaum die Straße aus. Fährt er etwa nur mit Standlicht? Ich frage ihn nicht, da wir uns nicht verständigen können und unsere brasilianischen Mitreisenden schlafen. Ich spreche kein portugiesisch und kaum ein Brasilianer kann Englisch.
Ein Indianer braucht kein Licht, sage ich mir, der schleicht sich im dunkeln an. Allerdings konnte von Schleichen nun auch keine Rede sein, denn das Tempo würde ich schon eher als rasant einstufen. Spannung bereitete auch die Tatsache, dass der Fahrer bei Gegenverkehr jedes Mal voll aufblendete.
Kaputt war das Licht also nicht und einen Moment lang war die Straße vor uns auch bestens ausgeleuchtet. Da nun aber auch das entgegenkommende Fahrzeug voll aufblendete, wirkte das grelle Licht eher schmerzlich. Ist der Wagen vorüber, schaltet unser Fahrer wieder auf Funzellicht. Zusätzliche Brisanz bekommt die Geschichte dadurch, dass am Straßenrand ab und zu Leute laufen, die erst sehr spät aus der Finsternis auftauchten. Es scheint mir nur eine Frage der Zeit, wann wir den ersten über die Motorhaube rollen sehen.
So bin ich froh, als wir endlich den Stadtrand von Manaus erreichen und die Straßenbeleuchtung die Sinne unterstützt. Dafür wurde allerdings der Bodenbelag deutlich schlechter. Schlaglöcher wohin das Auge blickt. Ausweichen? Zwecklos! Ein Drosseln der Geschwindigkeit wäre durchaus eine gewisse Entlastung. Aber wenn ein Indianer erst einmal im Angriffsmodus ist, gibt es kein Halten mehr. Geschwindigkeitsgebote werden mehr als großzügig überboten, lediglich bei den eingebauten Querdellen, den sogenannten »schlafenden Polizisten«, bremst der Fahrer verärgert ab.
Die Straße wird zweispurig, ist aber hier so breit, dass der Verkehrsstrom sie dreispurig nutzt. Jede mögliche und unmögliche Lücke verwenden die Brasilianer zum Spurwechsel. Rechts, Mitte, Links, Mitte, egal, Hauptsache in Bewegung. Dann zwingt eine rote Ampel die Schlange zum ungewollten Stop. Wo sich jetzt noch Lücken befinden, drängen sich Kradfahrer hinein. Motoren heulen auf, Hände krampfen sich an Lenkräder. Ein Formel-1-Start ist eine Lachnummer dagegen.
Sowie die rote Ampel erlischt, zeigt jeder, wie viel PS er unter der Haube hat. Wir befinden uns in der Spitzengruppe. Unser Indianer hat wahrscheinlich einige Gene von Rubens Barrichello, oder umgekehrt. Wieder werden Spuren gewechselt, wer hier zögert, wird gnadenlos ans Ende durchgereicht. Hinter einer Rechtskurve versuchen zwei Fußgänger, die Straße zu überqueren. Gerade noch rechtzeitig erkennen sie die Gefahr, drehen um und hechten zum Bordstein. Andere stehen erwartungsvoll in Startposition, um die nächste Verkehrslücke zu erwischen.
Die grüne Welle funktioniert hier bestens. Nur die Querdellen sind sehr schikanös und stören den Rennverlauf. Von hinten überholt ein Motorrad zwischen den Autoreihen. Es droht zwischen diesen eingekeilt zu werden. Der Sozius klopft rechts und links gegen die Scheiben der PKW, verschafft sich damit wieder etwas mehr Platz. An einer größeren Kreuzung schaltet die Ampel dann doch auf Halt. Sofort nutzen zahlreiche Brasilianer die »Ausgebremsten« als Kundschaft und laufen zwischen die Autos. Sie verkaufen Zeitungen, Obst, Saft, Wasser oder stinkende kleine Fische, die sie den Käufern lose in die Hand drücken. Eine Putzkolonne erscheint, ausgestattet mit Eimern und Wischern, um die Fensterscheiben putzen. Hinter ihnen jongliert ein Clown mit kleinen Bällen. Alle brauchen ein gutes Zeitgefühl, denn am Ende der Rotphase müssen sie wieder den rettenden Fußweg erreicht haben. Nicht immer geht alles gut.
Als die Schlange wieder vorwärts braust, fliegt ein Wassereimer durch die Luft. Irgendwo rappelt etwas, aber niemand bleibt stehen. Vorne geht die Post ab. Ich schaue zurück, erkenne aber nur die weit aufgerissenen Augen unserer Mitfahrer. Von Rechts biegt ein Radfahrer auf die Hauptstraße. Er holt ein wenig weit aus und wird dennoch knapp verfehlt. Fröhlich radelt er weiter. Unser Indianer zieht unvermittelt von ganz links nach ganz rechts, nimmt die dortige Ausfahrt mit der scharfen Kurve. Die Fliehkräfte sind enorm, zumal das Bremspedals dezent geschont wird.
Als er uns am Hostel absetzt, klettern wir mit weichen Knien aus dem Kleinbus. Morgen wird uns der Indianer erneut begleiten.
Wir gehen noch einmal kurz auf den Marktplatz und essen dort eine Suppe mit Jambu-Blättern. Das Kraut erzeugt im Gaumen und auf der Zunge ein prickelndes, leicht betäubendes Gefühl, welches einige Minuten anhält. Ehe wir die Betten aufsuchen, stellen wir die Mundflora noch mit einem Bier auf den Normalzustand zurück. Die Hitze der Nacht lässt nur einen unruhigen Schlaf zu.
Die Markthallen
Am folgenden Morgen setzt unser indianischer Fahrer uns an den Markthallen ab. Staunend gehen wir hinein und bewundern die riesigen Fleischberge, die hier zum Verkauf angeboten werden. Nebenan gibt es Trocken- und Pökelfleisch, dahinter jede Menge Fisch. Weitere Stände mit Obst, Handarbeiten und Souvenirs erregen unsere Aufmerksamkeit.
Die Zahl der Käufer empfinde ich ist sehr übersichtlich und frage mich, wer das viele Zeug hier kaufen soll.
Lebhafter ist es abseits der Hallen. Hier wird Fisch für das Volk mit dem kleineren Geldbeutel verkauft. In einer Zufahrtsstraße zum Hafen hat man die Fischerboote heraufgezogen und das Warenangebot auf ihnen ausgebreitet.
Auf einer hohen Seitenmauer stehen die Käufer und rufen ihre Wünsche hinab. Der Preis wird verhandelt, der Fisch in Zeitung gepackt und nach oben geworfen. Anschließend wirft man das Geld herunter. Hier ist wirklich was los. Der Geruch hier lässt erahnen, dass der Fisch zügig weg muss.
Amazonas und Rio Negro
Wir laufen zum Hafen und besteigen eines der typischen Amazonasschiffe. In erster Linie dienen sie dem Warentransport, jedes freie Plätzchen wird sinnvoll ausgenutzt.
Ist noch Platz genug, nimmt man auch Passagiere mit. Da die Fahrten mehrere Tage dauern, schlafen sie an Bord in Hängematten. Essen bereitet die Crew an Deck. Wenn es fertig ist, wird mit der Glocke geläutet.
Unser Boot ist etwas kleiner, nur für kurze Touristenausflüge gedacht. Wir fahren den fischreichen Rio Negro flussabwärts, dorthin, wo er auf das gelblich schlammige Wasser des Rio Solimões trifft. Erst hier, hinter der Stadt vereinen sich die Ströme, um gemeinsam als Amazonas den Weg zum Atlantik zu bestreiten. Das dortige Mündungsgebiet erstreckt sich übereine Breite von 200 Kilometer und in jeder Sekunde füllt der gewaltige Strom über 200.000 Kubikmeter Wasser in den Ozean. Dies entspricht einem Sechstel der Gesamtzuflussmenge aller Ozeane.
Unser Boot durchquert die 3,6 km lange Brücke, welche die 2 Millionen Metropole mit dem Stadtteil Iranduba verbindet. Hier ist der Rio Negro sehr schmal, hat hohe Ufer. An einigen Stellen zuvor, ist er dagegen bis 20 km breit. Die Zahlen beeindrucken uns.
Der Zusammenfluss
Wir kommen zum »Meeting of the Water.« Deutlich erkennbar sind die Farben der beiden Zuflüsse erkennbar. Die Gewässer sind sich fremd, verweigern sich noch der Vereinigung. Erst 40 km weiter flussabwärts werden sie miteinander vermischt sein.
Auf einen Nebenarm steigen wir an einer Anlegestation in kleinere Boote um. Hier legen übrigens auch gelbe Schulboote an, die Kinder zum Unterricht bringen.
Mit den kleinen Booten fahren wir nun hinein, in die überschwemmten Ufergebiete des Amazonas. Wir fühlen uns wie Abenteurer, es fehlt lediglich ein Speer in der Hand. Bei mir erfüllt sich ein uralter Wunsch aus Kindertagen und die Emotionen treiben mir ein paar Tränen in die Augen.
Wie gerne hätte ich meinem Vater noch von diesen Erlebnissen berichtet.
An einigen Stellen steigen wir an Land und bekommen Informationen zur Tier- und Pflanzenwelt. Dann geht es wieder zurück, erst zur Zwischenstation, wo es auch noch Mittagessen gibt und dann nach Manaus.
Das Theater am Amazonas
Das spüre ich besonders, als ich am Abend noch ein Konzert im Teatro Amazonas, der berühmten Oper in Manaus besuche. Das Gebäude ist sehr eindrucksvoll. Trotzdem klappen die Augen immer wieder kraftlos zu. Nur der starken Klimaanlage hatte ich zu verdanken, dass das wohlige Gefühl des Einschlafens immer wieder von fröstelnden Schauern gestört wurde und ich am Ende nicht vom Stuhl kippte.
Für uns geht morgen das Abenteuer Brasilien weiter, wir fliegen nach Curitiba, in den Süden des Landes. Ein besonderer Dank geht an Diana, einer Brasilianerin, die dieses Erlebnis für uns organisiert hatte, obwohl sie uns eigentlich nicht mal kannte. Sie organisierte im Übrigen auch noch ein schmackhaftes Picknick am Rio Negro Seitenarm, zusammen mit ihrer Schwester.
Dort hatte ihr Opa ein Sägewerk. Es steht noch alles da, aber die moderne Zeit machte es überflüssig. Die Baumstämme, die früher auf dem Wasser geflößt wurden, transportiert man heute mit großen LKW. Schade finde ich, als ich mir die gut erhaltenen Maschinen betrachte.
Weitere Ideen
Wer mal nach Manaus kommt, kann diese Bootstour auch buchen. Sie kostet mit Mittagessen etwa 75 Euro. In Verbindung mit einer Übernachtung im Urwald, zahlt man für 2-4 Tage etwa 150 bis 400 Euro. Es sind recht angenehme Camps und die Gefahren halten sich in Grenzen.
Empfehlenswert ist außerdem der Botanische Garten. Von seinem Aussichtsturm aus genießt man einen weiten Blick über die Weiten des Regenwalds. Außerdem kann man dort einige der giftigsten Schlangen der Erde betrachten.
Wer an Herstellungsprozessen seinen Spaß hat, sollte unbedingt einen Besuch im Kautschukmuseum einplanen. Das Naturprodukt machte die Stadt einst zu dem, was sie heute ist.
Richtige Abenteurer können hier schon ein paar Tage verbringen. Danach empfiehlt sich eine Weiterfahrt auf dem Amazonas, in das 1600 km entfernte Belem. Die Reise dauert vier Tage und kostet in einer einfachen Doppelkabine mit Dusche und WC etwa 400 Euro. Wer es preiswerter will, nimmt die Hängematten im Deck darunter. Ein Erlebnis, das man nicht wieder vergisst.
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Hallo Thomas,
ich hab mit mehr als nur einem Schmunzeln deine Geschichten gelesen. Einfach toll. Ich habe erst vor kurzem meinen Blog begonnen und es steht auch noch nicht so viel drin. Ein paar Feinheiten müssen noch angepasst werden. Das braucht halt alles seine Zeit. Aber das kennst du ja selbst. Ich werd wohl immer wieder mal vorbei schauen, auf deinem Blog. Dein Schreibstil gefällt mir.
Bis bald.
Lieben Gruß Rainer
Freut mich, dass es Dir gefallen hat. Habe auch gleich mal auf Deiner Seite vorbeigeschaut und gefallen gefunden. Viel Erfolg für Deine weiteren Ziele
Gruß Thomas