Glaubt man dem Plakat an der Straße, so gehört Garachico zu den schönsten Orten Spaniens. Trotz trüben Wetters steigt die Vorfreude auf unsere Besichtigungstour. Wir beginnen unseren Erkundungsgang am Denkmal zu Ehren der Auswanderer, flanieren dann durch die historische Altstadt, üben uns im Müßiggang auf der Plaza de la Libertad und wandern schließlich bergauf nach San Juan del Reparo. Wundere Dich nicht, wenn der Himmel auf den Bildern einmal grau und bedeckt ist und das andere Mal strahlend blau. Wir waren an verschiedenen Tagen dort, denn der Ort zog uns magisch an.
Am Denkmal zu Ehren der Auswanderer
Das Monumento al Emigrante Canario steht auf einer Anhöhe vor Garachico. Einen letzten Blick wirft der Auswanderer hinunter auf die Stadt neben sich seine Koffer, in denen sein ganzes Hab und Gut steckt. Auf ihn wartet ein neues Leben fern der Heimat.
Viele Menschen verließen in den vergangenen Jahrhunderten ihre Heimat Teneriffa. Gründe waren Piratenüberfälle, Plünderungen, Epidemien, Missernten, Hungersnöte, der Zusammenbruch der Monokulturen beim Anbau von Zuckerrohr und Wein sowie ein Vulkanausbruch. Die letzte Auswandererwelle erfolgte nach dem Spanischen Bürgerkrieg und am Ende des Zweiten Weltkrieges.

Aufstieg und Untergang von Garachico
Von unserer Anhöhe genießen wir die Aussicht auf die Bucht, als sich plötzlich ein schillernder Regenbogen über das graue Meer wölbt. Selbst ein trüber Tag wird dadurch spektakulär. Doch zurück zu Garachico und seiner Geschichte.
1496 durch Christóbal de Ponte gegründet, erblühte die Hafenstadt schnell zur Handelsmetropole. Der Aufschwung endete abrupt als 1706 der Montaña Negro ausbrach. Glühende Lavamassen wälzten sich den Berg hinunter und begruben den Ort unter sich. Wie durch ein Wunder kam niemand zu Schaden, doch der Hafen, Dreh-und Angelpunkt wirtschaftlichen Wachstums und somit Lebensgrundlage der Bevölkerung, war restlos zerstört.
Kaum war die Lava erkaltet, bauten die Bürger ihre Stadt wieder neu auf. Strahlend weiß liegen die Häuser im Halbrund auf einer schwarzen Basaltzunge, gerahmt vom azurfarbenen Meer aus dem sich ein mächtiger Fels erhebt. Es ist der von Wellen umtoste Roque de Garachico, welcher der Stadt ihren Namen gab. Das Wort stammt aus der Guanchensprache, den Ureinwohnern der Insel und setzt sich zusammen aus gara = Kerl/Fels und chico = klein.
An seine wirtschaftliche Blütezeit konnte Garachico allerdings nie mehr anknüpfen. Auch der 2012 eröffnete Hafen brachte keine Lösung, denn durch die starke Brandung ist seine Ein- und Ausfahrt tückisch. Mehrmals sahen wir den Wellen zu wie sie voller Wucht an die Promenade schlugen, die dahinter liegende Uferstraße überschwemmten und den Verkehr lahm legten.

Schwarze Vulkanbecken vor azurblauem Meer
Wir gehen hinunter in die Stadt, am Playa Mueller entlang und weiter zur Kaimauer mit großen Beton-Kunstwerken. Was stellen sie dar? Als ich eine Weile hier herumstehe, sehe ich, dass sie Touristen als Bilderrahmen nutzen, um sich und den Fels dahinter zu fotografieren. Prima, damit fallen Kunst und Zweck zusammen.
Ein Stück weiter sehen wir das Hafenkastell Castillo de San Miguel mit dem strahlend weiß getünchten Glockengiebel auf anthrazitfarbenen Mauerwerk aus Bruchsteinen und Basaltquadern. Es diente zur Abwehr von Piratenüberfällen. Wie durch ein Wunder blieb es von den Lavaströmen verschont. Dahinter liegen die Hauptattraktionen Garachicos, die Piscinas Naturales. Aufgrund hoher Wellen sind die schwarzen Vulkanbecken bei unserem ersten Besuch mit Flatterband gesperrt.
Als wir zum 2. Mal dort sind, scheint die Sonne, das Meer schimmert azurblau, viele Menschen baden in den Lavapools und genießen den Sonntag. Wir lassen es uns im Terrassenlokal gut gehen. Die Küche lässt zu wünschen übrig, doch die Bedienung ist sehr freundlich und der Platz in der ersten Reihe grandios. Man kann nicht alles haben.

Die alte Stadt und eine seltsame Begegnung
Begeistert vom altertümlichen Flair der historischen Altstadt wandeln wir auf kopfsteingepflasterten Gassen zur Plaza Juan González de la Torre. Umgeben von einem kleinen Park steht hier das von den Lavamassen freigelegte ehemalige Hafentor, die Puerto de Tierra. Nun wird es seltsam. Ein Mann spricht Thomas an und möchte 2,00 € gewechselt haben. Nett wie er ist, kramt er in seinem Portemonnaie nach Kleingeld, während ihm der Mann immer näher auf die Pelle rückt, fast in seine Geldbörse hineinkriecht. Was passiert hier? Auslesen der Kreditkarte? Meine Alarmglocken schrillen. Ich rufe Thomas zu, er soll endlich kommen, wir wollen weiter. Er reagiert erst beim 2. Mal. Weil wir ein ganz komisches Gefühl haben, lassen wir die Karte sofort sperren. Vorsicht ist besser als Nachsicht. Zum Glück ist nichts passiert.

Plaza de la Libertad
Die Stimmung ist erst einmal getrübt. Daran können auch die weihnachtlich geschmückten schönen Gassen, prächtige Holzbalkons und die schneeweiße Kirche Santa Ana nichts ändern. Auf der Plaza de la Libertad, dem Herzstück der Altstadt, beobachten wir die Einwohner. Sie sitzen rund um den Kiosk, essen und trinken, tauschen Neuigkeiten aus, spielen oder lesen und scheinen alle Zeit der Welt zu haben. Fasziniert von ihrer Ruhe und Gelassenheit lassen auch wir uns nieder und üben uns in der hohen Kunst des Müßiggangs. Wir könnten ewig im Schatten der hohen Bäume verweilen. Unsere Laune verbessert sich stetig und wir sind bereit zu neuen Taten.
Eingerahmt wird der Platz von herrschaftlichen Gebäuden. Der Palacio Condes de la Gomera ist aus akkurat behauenen Quadersteinen gebaut und wird deshalb auch Steinhaus genannt. Ein Stück weiter steht das 1524 gegründete Franziskanerkloster. Es ist das älteste Bauwerk der Stadt und beherbergt heute das Kulturhaus. Große weiße Buchstaben auf den Treppenstufen wünschen uns „Feliz navidad“, lebensgroße Krippenfiguren rund um die Plaza erzählen die Weihnachtsgeschichte. So! Lange genug geruht, weiter geht’s.


Wanderung von Garachico nach San Juan del Reparo
Wir werfen noch einen Blick auf das Standbild von Simon Bolivar, dessen Großmutter aus Garachico stammt, dann beginnen wir unsere Wanderung nach San Juan del Reparo. Der Weg ist gekennzeichnet mit PR TF 43, weiß-gelb. Er beginnt auf der Calle 18 de Julio gleich neben dem Rathaus und schlängelt sich in zahlreichen Serpentinen steil den Hang hinauf. Mächtige Kiefern säumen den Weg und ihre trockenen Nadeln bilden ein dickes Polster, das ein wenig rutschig sind. Gut aufpassen ist angesagt.
Immer wieder bleiben wir stehen, zum einen, weil uns die Puste ausgeht, zum anderen, um den Anblick des bezaubernden Städtchens unter uns zu genießen. Als wir oben in San Juan ankommen öffnet der Himmel seine Schleusen. Zum Glück steht gleich an der Straße ein Aussichtspavillon mit Dach. Beschirmt durch das Dach einer Aussichtskanzel warten wir das Ende des Regens ab und kehren dann auf demselben Weg nach Garachico zurück. Bergab jammern meine Knie vor sich hin. Es ist so steil.

Das Weinhandels-Monopol
Zurück in der Stadt genehmigen wir uns zur Belohnung ein Gläschen Wein in einer Bar. Beim Weitergehen treffen wir auf die Skulptur eines grimmig aussehenden Menschen, der ein Fass hoch über seinen Kopf hält. Zwei weitere liegen unter seinen Füßen. Übersetzt lautet die Inschrift auf der Tafel:
Eines Nachts im Jahr 1666 flossen Ströme von Wein durch Garachico. Es war Teneriffas Antwort auf die Macht der englischen Kanarischen Kompanie. Freihandel statt Monopol.
Schon damals rebellierten anscheinend lokale Erzeuger, die ihren Wein traditionell herstellten gegen billige industrialisierte Massenprodukte. Im Laufe unserer Aufenthalte haben wir die unterschiedlichsten Weine auf der Insel probiert und finden, dass jeder für sich besonders und einzigartig ist. Es fiel uns schwer einen Lieblingswein auszuwählen. Vielleicht war der Wein aus dem Gebiet Tacoronte der Beste oder der aus Orotava, Icod, dem Güímar-Tal? Am besten Ihr kostet selbst und trefft Eure Wahl.

Wenn wir auf Teneriffa sind fahren wir auch nach Garachico und entdecken immer wieder was Neues: ein kleines Lokal mit leckeren Tapas, ein Geschäft mit Töpferware, den kleinen Markt am Sonntag morgen, immer wieder Blicke auf’s Meer oder die Vögel, welche den „kleinen Felsen“ als Brutplatz nutzen.