Es gibt 35 Millionen Kaimane in Brasiliens Pantanal. Sie werden über 2 Meter groß, sind wendig und schneller als ein Mensch. Obwohl Menschen nicht in das Beuteschema der Tiere passen, ist es ratsam, sich nicht unbedingt in ihren Lebensraum zu begeben. Doch je nachdem, wie die Regenfälle ausfallen, steht das Land mal mehr, mal weniger unter Wasser und wo noch vor wenigen Tagen alles trocken war, schwimmen heute gepanzerte Echsen, mit spitzen Fangzähnen und einer Beißkraft, die etwa der eines Tyrannosaurus Rex entspricht.

So waren wir auch nicht begeistert, als …

 

Wir waren aus Bonito wieder zurück auf der Fazenda. Während unserer Abwesenheit hatte es hier geregnet und der Wasserstand im Fluss war angestiegen. Dies wiederum lies Guto und Stefan auf einen erfolgreichen Angeltag hoffen. Erneut bestiegen wir die Ladepritsche des Pick-up und fuhren zum Fluss.

pritsche

Wir starten an der Fazenda

Fahrt zum Fluss

Allerdings hatte der Regen auch die Zufahrtswege unter Wasser gesetzt, die Anfahrt gestaltete sich teils mehr schlingernd, als rollend. Aber Guto verlor nie den Schwung beim Fahren, wühlte sich durch die Wasserfelder, obwohl die Räder darin verschwanden.

überschwemmung

Den Weg konnte man nur erahnen

Jeden Moment befürchtete ich ein Absaufen des Motors. Schlamm spritze auf, der Wagen bekam davon eine neue Dreckschicht. Zur Sicherheit fuhr Catalino dieses Mal mit dem Traktor vor uns, der uns eventuell rausziehen konnte.

vor uns

Hier war der Weg noch gut

Der Wagen war kaum noch zu erkennen, als wir am Fluss ankamen. Ehe der Dreck antrocknen konnte, putzten wir wenigstens die Scheiben.

Dreck

 

Mit den Booten flussabwärts

Für die beiden Boote hatten wir diesmal nur einen Motor zur Verfügung, daher wurde Boot 2 kurzerhand ins Schlepptau genommen.

Fluss in Brasilien

Unberührte Natur am Fluss

Der Fluss schlängelte sich durch unberührte Natur, bunte Vögel und Schmetterlinge flogen durch die Lüfte und gleichgültig beäugten uns immer wieder Kaimane im Uferbereich. Einige hundert Meter flussabwärts, schoben wir das Schleppboot zwischen die Wasserhyazinthen. Ein Kaiman, nur zwei Meter daneben beeindruckte dies nicht, allerdings war Alexa von seiner Gesellschaft weniger begeistert.

Kaiman

Wir fuhren mit unserm Boot noch ein deutliches Stück weiter, ehe wir mit dem Auswerfen der Köder begannen.

Fluss in Brasilien

Nach einigen Fehlbissen gelang es Philipp, eine Golddorade aus dem Wasser zu ziehen. Die Zeit verging wie im Fluge und auf Grund der schlechten Zufahrtswege drängte Catalino zur Rückreise.

Golddorade

Wir stecken fest

Die Rückfahrt wurde zum Abenteuer. Irgendwie hatte sich noch mehr Wasser auf den Wegen gesammelt. Die Fahrspuren konnte man nur noch erahnen. Jetzt war uns Catalinos Drängen klar. Er wusste, welche Gefahr hier lauerte, tuckerte mit dem Traktor hinter uns her.

 

wege

Wo ist der Weg hin?

Es war nur eine Frage der Zeit. In einem der nächsten Wasserlöcher verlor der Wagen mehr und mehr Schwung. Die Räder drehten durch, wühlten sich in den schlammigen Boden. Aber wir hatten ja den Traktor hinter uns. Er sollte vorbeifahren und uns herausziehen.

festgefahren

Wir kommen nicht weiter

Der Plan schien gut, aber der Weg war schlecht. Direkt neben unserem Fahrzeug rutschte der Traktor seitlich weg und sackte mit dem rechten Vorderrad in ein tiefes Loch.

im Schlamm

vorne rechts im Loch

In den folgenden zwei Stunden versuchten wir mit untergelegten Ästen und Stämmen als Hebel, wenigstens eines der Fahrzeuge wieder frei zu bekommen. Keine Chance. Guto erreichte die Farm trotz des kaum vorhandenen Handyempfangs und orderte dort einen großen Traktor, mit mannshohen Rädern. Eine weitere Stunde verging und die Dämmerung war schon deutlich vorangeschritten, als der gelbe Koloss endlich eintraf.

 

Der gelbe Koloss

Weitere Zeit verloren wir, als sie dann erst versuchten, den Traktor freizuziehen. Die Aktion misslang. Daher beschlossen wir, alle auf den Pick-up umzusteigen und dieser sollte dann weiter durch die Wassermassen gezogen werden.

wege

Am Morgen sah es hier noch anders aus

Beim heftigen Anrucken befürchteten einige, dass irgendwo etwas reißen müsste, aber der Wagen bewegte sich endlich vorwärts. Zuerst langsam, dann mehr und mehr Fahrt aufnehmend. Das Schlepptau war eigentlich zu lang gehalten, beinahe zwanzig Meter. Wie ein Fahrer beim Wasserski schlingerte der Wagen mal nach rechts, dann nach links. Guto gelang es, mit wildem Kurbeln am Lenkrad eine Kollision mit den Bäumen zu vermeiden. Das Tempo musste bleiben, wir brauchten jeden Schwung, um durch den Schlamm zu kommen. Dann fiel mir der Fehler des Systems auf, aber es war zu spät.

Das Seil war zu lang

Es war eine Linkskurve, die das Zugfahrzeug nehmen musste und durch den Richtungswechsel verloren wir an Schwung. Das Zugseil lief ja nicht mehr gerade vorwärts, sondern seitwärts, suchte sich nun den selbständig den kürzesten Weg zwischen zwei Punkten und blieb dabei an einem dicken Baum hängen, der fortan wie eine Umlenkrolle wirkte. Gnadenlos wälzte sich das gelbe Ungetüm in zügigem Tempo durch die Wassermassen. Sein Fahrer kümmerte sich dabei wenig darum, was hinter ihm geschah, es war ja bereits dunkel, die Scheinwerfer leuchteten den Weg nur spärlich aus und so war Konzentration nach vorne gefragt.

Ein weiterer heftiger Ruck riss unser Fahrzeug wieder aus der Ruhephase, allerdings auch aus der angestrebten Fahrrinne. Jedes Gegenlenken war zwecklos, das Seil zog uns direkt auf den Baum zu. Guto rammte den Fuß auf das Bremspedal und die Hände landeten auf der Hupe. Nur einen Meter vorm Baum kam das Gespann zu stehen. Geschafft – aber nun steckte auch das Zugfahrzeug fest. Ein Abhängen der Zuglast half nicht weiter. Wir hatten keine fünfhundert Meter geschafft. Ein neuer Anruf bei der Farm versprach wenig Hilfe, denn das kräftigste Zugfahrzeug stand schon hier bei uns, tief im Schlamm.

Es kam, was wir die ganze Zeit befürchtet hatten, wir mussten Laufen. Immerhin wollte man uns noch einen LKW entgegenschicken, soweit dieser vorankam, damit wir nicht die 16 km laufen mussten. Schließlich sollte in zehn Stunden unser Weiterflug nach Manaus sein.

im Schlamm


Wo lauern die Kaimane?

Ich stecke meine Hosenbeine in die Socken, habe die Hoffnung, eventuelles Getier kann dann nicht am Bein nach oben klettern und dort Schaden anrichten. Dann zurre ich die Schnürsenkel der Halbschuhe so fest es geht, und steige aus dem Auto. Das Wasser ist angenehm warm, füllt sofort die Schuhe. Als die Scheinwerfer der Autos ausgestellt werden, benötigen die Augen einige Momente, bis sie wieder Umrisse erkennen. Tausende von Zikaden verursachen ein unheimliches Zirpen, verschlucken andere Geräusche, die uns vor Gefahren warnen könnten. Unsere neunköpfige Gruppe schlappt durch das kniehohe Wasser. Bei jedem Schritt sinken die Schuhe am Boden in den Schlamm, saugen sich fest und die Zehen entwickeln eine bestimmte Technik, damit der Schuh beim herausziehen nicht steckenbleibt.

Wir haben nur drei spärliche Funzeln dabei. Vorweg geht der Fahrer des gelben Traktors. Er hat eine Stirnlampe auf und schlägt mit einem Knüppel abwechselnd nach links und rechts, um eventuelle Kaimane zu vertreiben. Wir wissen, die Viecher können hier überall lauern. Zwar entsprechen wir nicht ihrem Beuteschema, aber keiner von uns Deutschen weiß, was passiert, wenn wir versehentlich einen Fuß vor ihr geöffnetes Maul setzen.
Michel versucht, die Mitte der Gruppe mit seinem Handy auszuleuchten und am Ende läuft Stefan mit einer Taschenlampe und leuchtet abwechselnd auf die Seitenflanken. Ständig fliegen uns irgendwelche Insekten ins Gesicht. Die Brasilianer scheinen sich mehr Sorgen zu machen, als wir. Natürlich wissen sie besser, welche Gefahren hier noch lauern, aber davon wollen wir im Augenblick lieber nichts hören.

Neue Weggefährten

Die Augen durchdringen die Dunkelheit immer besser, irgendwann kommt uns und von vorne eine Herde Rindviecher entgegen, die beschlossen hat, ihr Revier zu wechseln. Ausgerechnet jetzt, mitten in der Nacht.
Verdutzt bleiben die Führungstiere stehen, blicken ratlos auf die entgegenkommende Meute, mit ihren zuckenden Lichtern. Das haben sie auch noch nicht erlebt. Der Rest der Herde drängt nach, ist auch neugierig. Ehe sie sich zum Durchbruch entschließen, beginnen wir laut zu Rufen und bewegen sie dadurch zum Rückzug. Einige mutige Tiere reizen die Situation bis aufs Letzte aus, laufen dann etwas zurück und warten wieder ab, was geschieht. Weder Mensch noch Tier sind bereit, den Wald zu betreten.

Wenigstens dürfte die Herde eventuelle Kaimane in die Flucht schlagen, aber die Klauen machen den Bodengrund jetzt deutlich weicher. Dumm ist auch, dass die Kühe am hinteren Ende, hin und wieder Etwas herauskleckern lassen. Eine Stunde geht das Spielchen, dann endlich ist der Wald zu Ende und wir kommen auf eine Weidefläche, die etwas höher gelegen und damit trocken ist. Wir sehen die Standlichter des LKW, gehen hin und klettern zwischen die leeren Bienenkästen auf der Ladepritsche. Geschafft, denken alle erleichtert, als der Motor beim Anlassversuch lediglich ein KLICK verlauten lässt. OH GOTT, BITTE NICHT.

Glück gehabt

Der Fahrer kennt jedoch das Problem, steigt aus und legt sich hantierend unters Fahrzeug. Nach einem weiteren Versuch läuft der Motor..

Als wir auf der Fazenda ankommen, sind dort alle sichtlich erleichtert. Im Licht betrachten wir unsere schlammigen Klamotten, können endlich wieder Lachen. Am Wasserschlauch versuchen wir, uns so gut es geht zu reinigen, ehe wir unter die Dusche steigen.

ende gut

Die Damen sind schon vorgewaschen

Guto organisiert für den frühen Morgen noch zwei Fahrzeuge, die uns zum Flughafen bringen sollen. Schließlich wartet in Manaus der Amazonas auf uns.

Kaiman in Pantanal