Hier beginnt er nun, unser zweiter Abschnitt beim Pilgern, der uns diesmal in das Nachbarland Frankreich führt. Wir fühlen uns nicht mehr so ganz als Anfänger, denn die ersten Erfahrungen haben wir ja bereits auf der Strecke von Koblenz nach Trier sammeln dürfen. Der Rucksack ist diesmal etwas leichter. Beim letzten Mal hatten wir zuviel Ungebrauchtes dabei. Dafür ist ein Schlafsack dazugekommen (800g), da die Unterkünfte hinter der Landesgrenze deutlich dünner gesät sind.

Weg Konz Trier

Etappen bis zur Grenze

 

Verpflegung ist wichtig!

Das Auto stellen wir in Konz auf einen Parkplatz an der Mosel ab. Er liegt deutlich erhöht und Hochwasser ist nicht zu befürchten. Dann ziehen wir die Wanderschuhe an, schultern die Rucksäcke, greifen die Pilgerstöcke und schon sind wir unterwegs. Nach zweihundert Metern landen wir in einem BIO-Laden und kaufen etwas Marschverpflegung. Brötchen, Käse und Wurst. Daneben ist die Touristinfo, in der wir uns den Pilgerstempel holen. Dann geht es aber richtig los.Pilgerweg

Freud und Leid

22 Kilometer liegen vor uns und auf Grund der Anreise ist es bereits halb Zwölf. Ausgeruht, wie wir sind, kommen wir auch zügig voran. Unser typisches Tempo liegt bei 4 km/h. Unterwegs entdecken wir wieder eine Brücke, die gebaut wurde und keinerlei Anschluss und Sinn hat. Wer plant solchen Mist eigentlich und verschwendet ungestraft Steuergelder?

Brücke ins Nichts

Bereit sein ist alles. War hier Geld übrig?

In Mannebach stärken wir uns mit einem Bier, das haben die Pilger damals auch gemacht. Der Weg führt über die Landstraße, ein Stück den Feldweg entlang, dann quer über eine Wiese und abschließender Sprung über einen Graben.Pilgerweg

Vor allem aber bleibt dem Pilger kein Anstieg erspart. Jede Steigung wird ihm auferlegt. Das macht ihn mürbe und demütig.
Die Jakobuskapelle gefällt uns sehr gut. Daneben befinden sich eine Schutzhütte und ein Brunnen.Jakobuskapelle

Die Pilgerherberge

Am späten Nachmittag erreichen wir Marys Destille. Der Name trügt etwas, denn es ist auch eine Pilgerherberge. Übernachtung, Frühstück und Abendessen kosten 27,- Euro. Es gibt leckeren Wurstsalat, Bier und natürlich ein Schnapserl, sozusagen als Betthupferl. Mit Britta ist noch eine weitere Pilgerin da. Sie ist alleine unterwegs, will aber den südlichen Weg in Richtung Dijon nehmen, während unser Weg mehr nach Westen in Richtung Vezelay läuft.Pilgerherberge
Wir frühstücken gemeinsam und Mary drängt uns dazu, reichlich Proviant einzupacken. Es gibt noch ein Abschiedsfoto und gemeinsam mit Britta spazieren wir los. Nach zwei Kilometern mit Britta stellen wir fest, dass unser Tempo zu unterschiedlich ist. Britta ist uns zu schnell und wir zu langsam für sie, das ist nicht gut. Also verabschieden wir uns voneinander, wünschen uns »Bon Camino« und Britta flitzt los. Immer größer wird der Abstand, bis sie schließlich ganz außer Sichtweite ist. Unsere Mittagspause nehmen wir im Schatten eines Apfelbaums ein, schlummern ein wenig dabei. Angenehm, bei 28 Grad. Die letzten Kilometer bis Perl werden anstrengend. Es geht durch die Weinberge.

Anna hilft gerne

Im Zielort wollen wir uns ein Eis gönnen und dann in der Touristinfo nach einer Unterkunft fragen. An einem Haus ist eine ältere Frau beim Gießen ihrer Geranien.
»Habt`s ihr schon eine Unterkunft«, fragt sie uns, nachdem sie die Jakobsmuscheln am Rucksack baumeln sieht. Wir schütteln den Kopf.
»Wenn ihr wollt, könnt ihr bei mir übernachten.«
Natürlich wollen wir, freuen uns darüber, so unkompliziert ein Bett gefunden zu haben. Die Wohnungseinrichtung ist etwas altbacken, aber das stört uns ja nicht. Wir duschen erstmal und gehen anschließend unser Eis essen.

Das Problem

Die morgige Etappe soll uns nach Frankreich bringen, aber am geplanten Zielort gibt es keine Übernachtungsmöglichkeit mehr. Alles ausgebucht. Das geht ja gut los. Die nächste Möglichkeit finden wir in 35 km Entfernung. Das ist uns aber zu weit. So reift die Überlegung, einen Teil mit dem Zug zu fahren und uns am Bahnhof zu erkundigen. Der Kellner an der Eisdiele meint, es sind nur 5 min Fußweg zum Bahnhof. War nun seine Einschätzung falsch oder unser Schritt so langsam, wir brauchten jedenfalls 25 Minuten. Was wir dann erblicken, sollte man besser nicht mehr als Bahnhof bezeichnen. Aber immerhin würde mittags ein Zug in unsere gewünschte Richtung fahren. Spät zwar, aber besser als nie.

Die Lösung

Die bessere Lösung fand sich am Abend. Wieder überraschte uns unsere Herbergsmutter Anna mit Ihren Kontakten zu Unterkünften in Frankreich. Sie wollte sich am Abend darum kümmern und würde uns am Morgen Bescheid geben. Das klang hoffnungsvoll.
Das Frühstück bei Frau Anna findet in der guten Stube statt. Anna hat eine Unterkunft für uns gefunden, bei Madame Isabelle in Sainte Marguerite. Wir sollen im Ort nach Madame Keller fragen, die wohnt in der Ortsmitte und nimmt normalerweise die Pilger auf, hat aber morgen Besuch und daher bei Isabelle für uns reserviert.

Respekt!!

Übrigens ist heute eine Pilgerin aus Merzkirchen bei Frau Keller zur Übernachtung angekommen. Uns ist klar, das kann nur Britta sein.  Sie ist gestern also sage und schreibe 39 km gelaufen. Respekt! Über 20 km finde ich schon sehr belastend, aber für Britta anscheinend kein Problem.

Schritt nach Frankreich

Der erste Schritt in Frankreich

Auf nach Frankreich

Anna erklärt uns noch den weiteren Weg, obwohl sie ihn eigentlich nicht kennt, denn sie war noch nie dort entlang gegangen. Der nächste Ort liegt dann bereits in Frankreich und schnell merken wir, dass die Beschilderung arg zu wünschen übrig lässt. Wir wissen nicht weiter. Elvira fragt zwei Polizisten nach dem Weg. Auf mich machen die Ordnungshüter aber nicht unbedingt den Eindruck, dass sie sich mit Wanderwegen auskennen. So ist es am Ende wohl eher Glück oder übermächtige Hilfe, als wir doch den schmalen Pfad mit den Treppen finden, der uns wieder weit über die Dächer der Stadt hinaufbringt.

Ein guter Rat

Der Weg heute ist abwechslungsreich und kurzweilig, bereits aus weiter Entfernung sehen wir das Kernkraftwerk Cattenom vor uns, welches immer wieder mit Störfällen in die Schlagzeilen gerät.

Pilgerweg Frankreich

Im Hintergrund das Kernkraftwerk Cattenom

Im zweiten Streckenabschnitt folgt ein längeres Stück Landstraße, an deren Ende wir unsere längere Mittagsrast einlegen. In Lemestroff hilft uns ein netter Bauer weiter, als wir wieder nicht weiter finden. Er freut sich, wieder mal deutsch reden zu können. Weit ist es jetzt nicht mehr. Zum Abschied gibt er uns noch einmal dringend den Rat, unbedingt auf dem Weg zu bleiben und nicht in den Wald zu gehen. Blödsinn, denke ich noch, warum sollten wir auch in den Wald gehen.Wegweiser

Welcher Weg ist richtig?

Zwei Kilometer weiter begreife ich, was er meinte. Der normale Weg führt in den Wald hinein. Direkt daneben ein kleinerer Weg im spitzen Winkel der Weg ebenfalls. Dort am Baum ein Wegweiser: »St. Marguerite«. Da wollen wir ja hin. Aber wir sollen auf dem Weg bleiben und nicht in den Wald hinein gehen. Was meint so ein Franzose damit? Beide Wege gehen in den Wald und welches ist der Weg? Ist es für ihn der breite geschotterte Weg oder der Ausgeschilderte. Ratlos stehen wir da. Nun gibt es ja in der modernen Zeit auch moderne Hilfsmittel. Ich zücke also mein Smartphone und drücke auf die App mit der Karte. Zuverlässig überprüft Google meinen Aufenthalt, wird ihn abspeichern, wahrscheinlich in eine Zentraldatei eingeben, die dann mit einem höchst kompliziertem Logarithmus berechnet, welches terroristische Potential von mir ausgeht. Das ist mir im Moment jedoch egal. Der breite Waldweg ist in der Karte verzeichnet. Er macht einen gewaltigen Bogen und führt dann auch zu unserem Zielort. Der Trampelpfad ist nicht verzeichnet, weist allerdings direkt in Richtung Ziel und ist für mich klar der Kürzere. Folglich überzeuge ich nun auch Elvira davon, dass der Bauer den Pfad als »Weg« und den Weg als »in den Wald hinein« bezeichnete.

Wie ein Weg verschwindet

Weiter als eine halbe Stunde war es jedenfalls nicht mehr. Der Pfad führt leicht bergan, war etwas schmierig vom letzten Regen. So ganz sachte wurde er immer ein wenig schmaler, das Grün an den Seiten schien hier etwas üppiger zu wachsen.

Waldweg

Hier ist der Weg etwas kürzer!

Immerhin war die Ausschilderung perfekt, alle paar Meter ein neuer Wegweiser. Immer wieder überzeugte ich mich – ja, dort stand »St. Marguerite«. Auch das Gras am Boden war inzwischen deutlich höher, reichte bis zu den Knien und auf Grund der Tatsache, dass wir uns bereits durch das Unterholz drängen mussten, finde ich es vermessen, jetzt noch von einem Weg zu reden.

Waldweg

Hier geht’s lang

Noch einmal nehme ich das Handy zu Hilfe. Der Punkt mit meinem Aufenthaltsort befindet sich mitten im grün markierten Waldbereich. In der Terrorwarnliste der USA werde ich jetzt wahrscheinlich gelb gelistet, als »Versucht abzutauchen!« Aber wir nähern uns noch immer dem Tagesziel, noch eine Viertelstunde vielleicht. Die Wegweiser helfen uns weiter. Sie sind hoch oben an den Bäumen angebracht, damit sie zu sehen sind. Sie sind jetzt sogar an jedem Baum angebracht, ich bin begeistert. Elvira weniger, sie ist dafür zurückzugehen.

Waldweg

Komm nur weiter…

Sucht man uns schon?

»Wir sind gleich da«, feuere ich sie an, schrecke damit eine Rotte Wildschweine auf, die knackend und krachend davonläuft. »Oh Gott«, entfährt es Elvira, »wir sind hier falsch!«
»Nein«, beteuere ich, »die Wegweiser zeigen es doch!«
Die Wegweiser!? Wo waren die eigentlich? Keiner mehr zu sehen. Verlaufen? Ich gehe nochmal drei Bäume zurück. Da ist noch einer, dann nichts mehr. Wahrscheinlich sind der zuständigen Person die Schilder ausgegangen und sie hat sich im Wald verlaufen. Egal, den Rest schaffen wir mit dem Handy. Der Punkt auf der Karte rückt in die richtige Richtung. Noch 10 Minuten. Plötzlich überfliegen uns zwei Düsenjäger mit lautem Getöse. Suchen die etwa schon nach uns? Das ging ja schnell.
Dann kommt ein lichteres Waldstück. Etwas weiter meine ich, eine Fahrspur zu entdecken. Ein Traktor hat tiefe Fahrrinnen hinterlassen, die voller Wasser stehen. Wir laufen in der Mitte entlang, aber die ist sehr rutschig. Jetzt nur nicht noch in den Schlamm fallen.

Waldweg

Wieder Spuren der Zivilisation

»Wir sind gleich draußen«, muntere ich Elvira auf und stecke das Handy weg, ehe die Abfangjäger noch einmal erscheinen.

Waldweg

Gleich sind wir raus aus dem Wald

Das kleine Dorf

Plötzlich ist der Wald zu Ende und zweihundert Meter weiter sehen wir die zwölf Häuser von Sainte Marguerite.
Das Dorf wirkt ausgestorben, kein Mensch ist zu sehen. Doch, da ist einer, will sich gerade in der Garage verstecken, als wir ihn fragen, wo wir Madame Isabelle finden. Er zuckt die Schultern, kennt er nicht. Bei zwölf Häusern und einer Kirche kennt er sie nicht? Unser Schreck ist groß, wo sollen wir jetzt hin?

Saint Marguerite

Saint Marguerite

Elvira fragt ihn nach Madame Keller. Ah, die kennt er, weist zwei Häuser weiter. Dort klingeln wir. Madame sieht aus dem Fenster, erkennt uns als Pilger. Sie schickt uns zum letzten Haus im Ort und ruft dann bei Isabelle an. Sie erwartet uns mit ihrem Mann Gerard vor dem Haus, begrüßt uns freundlich und mit viel französisch und zeigt uns dann das Zimmer. Wir sind erleichtert, duschen erstmal und ziehen uns ein wenig ziviler an.

Wie geht es weiter?

Der Nachmittag und der Abend bei Isabelle und Gerard zählt bisher zu unseren schönsten Pilgererlebnissen und wird uns immer in Erinnerung bleiben. Lernt die beiden etwas näher kennen. Wie verlief der Rest des Tages für uns und wie bewältigen wir die 45 km bis Metz. Wo übernachten wir dort?

Pilgerweg

Wie geht es weiter?

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Hier geht es zu den Artikeln der ersten Reise: