An der Ostsee, in Kühlungsborn verbringen wir die letzten Urlaubstage. Eine Fahrt mit der historischen Molli, ein Konzertbesuch im Münster von Bad Doberan, die Stimmung am Meer und die offenen Gärten auf der Rückreise – alles Dinge, für die wir gerne mehr Zeit investiert hätten. Doch zuerst zieht sich die „Kleine Führung durch Schloss und Kirche“ mit dem Hausherrn in die Länge. Aber lest selbst…
Mittwoch
Mit fünf anderen Gästen kommen wir gleichzeitig zum Frühstücksbüffet, welches dem Ansturm nicht gewachsen ist. Es fehlt an Obst, Brot, Wurst, Ei, Kaffee und die Servicekraft ist bemüht, die Warenengpässe auszugleichen. Zum Glück sind wir nicht auf der Flucht, sondern im Urlaub.
Um 10.00 Uhr startet die »Kleine Führung« durch Schloss und Kirche mit Herrn von der Luhe. Gern nehmen wir daran teil, wollen mehr von den früheren Zeiten erfahren. Was wir da noch nicht wissen; der Schlossherr wird unsere Geduld über alle Maßen strapazieren, die Führung wird sich endlos in die Länge ziehen.
Zunächst geht es in die Dorfkirche. Die ist abgeschlossen. Also holt er den Schlüssel von der Küsterin. Das dauert und einige Spekulationen werden geäußert. Es folgen 50 Minuten Erklärung im Kircheninneren: Altar, Bemalung, Wappenkunde. Elvira und ich schreiben inzwischen ein Stück aus der Bibel in ein danebenliegendes Buch ab. Die Idee dazu; hier wird von vielen Menschen eine handschriftliche Bibel verfertigt.
Wieder draußen, erklärt uns Herr von der Luhe die Eigenheiten des zur Kirche gehörenden Friedhofs. Dann fällt ihm ein, dass er nicht auf den Opferstock in der Kirche verwiesen hat. Also gehen alle wieder zum Spenden in die Kirche. Alle wieder raus, mühseliges Abschließen, probieren, ob die Tür zu ist, weitere Erläuterungen zur Dicke des Kirchturms. Die ersten Gäste beginnen zu drängen, sie wollen vor der Weiterfahrt das Schloss besichtigen. Doch zuvor geht’s zur Südseite bis ans Ende des weitläufigen Parks. Der Schlossherr gibt eine umfassende Ausführung über das frühere Aussehen der Landschaft und des Gartens. Nun nehmen wir endlich Kurs auf das Schloss, als Herrn von der Luhe auffällt, dass er den Kirchenschlüssel noch bei sich trägt. Zum Glück ist der Gärtner in der Nähe, den er beauftragt, dass für ihn zu erledigen. Endlich steht der Schlossbesichtigung nichts mehr im Wege. Wir beginnen im ungemütlichsten Teil, im Kellergewölbe. Der Hausherr macht reichlich Werbung für Feiern im ritterlichen Ambiente, gut, für die Artusrunde würde der Platz wohl nicht gerade reichen. Endlich steigen wir über knarrende Holztreppen in die oberen Stockwerke, betrachten ehrfürchtig Ahnenbilder und chinesische Antiquitäten (die günstiger zu ersteigern waren als Deutsche) sowie die winzige Bühne im Dachgeschoß.
Als wir Abschied nehmen ist der halbe Tag vorbei.
Wir fahren ins Ribnitzer Kloster mit seinem Bernsteinmuseuem. Es ist wenig los in der Stadt, auch am Hafen tote Hose. Weiter führt uns der Weg nach Graal-Müritz zum Rhododendronpark.
Er ist gigantisch und überwältigend in seiner Pracht. 2.500 Pflanzen aufgeteilt in ca. 52 Arten türmen ihre Blüten neben- und bis zu vier Meter übereinander. Elvira will sofort mindestens zwanzig Rhododendren bei uns im Garten pflanzen. Während sie eifrig die Namen der Sorten notiert, hoffe ich, dass der Zettel verloren geht oder der Plan in Vergessenheit gerät. Auf der Rückfahrt suchen wir ein Restaurant, denn der Hunger meldet sich. Vierzig Kilometer und etliche Dörfer weiter werden wir fündig. Den „Mecklenburger Hof“ betreten wir mit gemischten Gefühlen, die Erinnerung an gestern ist einfach zu frisch. Doch hier ist der Gastraum voll, das Essen prima.
Donnerstag
Das Wetter lässt wieder zu Wünschen übrig. Auf der Weiterfahrt nach Bad Doberan planen wir entlang der Ostsee durch Warnemünde zu fahren. Das klappt jedoch nicht, da es an der Bucht keine Brücke gibt. Wir müssen durch Rostock. Das Münster in Bad Doberan begeistert uns. An der Kasse kaufen wir für morgen zwei Karten zum Konzert des Jungen Symphonieorchesters Zwickau, kombiniert mit einer Mollifahrt. Das ist eine historische Eisenbahn.
Weiter geht es nach Kühlungsborn zum letzten Hotel unserer Reise, der „Villa Verdi“. Das Zimmer mit Balkon zur Seeseite ist modern, stylisch in Weiß mit wenig Grau und Grün.
Das Wetter bessert sich und wir schlendern zum Seglerhafen. Mit Blick auf die hereinkommenden Schiffe genießen wir in einem Sitzsack einen lang ersehnten Aperol-Spritz. Beschwingt geht es zurück. Die Sonne strahlt vom blauen Himmel. Wir besorgen uns eine Flasche Wein und gehen zum »Sundowner« an den Strand. Das Leben ist herrlich.
Freitag
Es regnet in Strömen. Eingehüllt in Regenjacken schlendern wir die Einkaufsmeile entlang zum Bahnhof West. Zaghaft bricht die Sonne durch die Wolkendecke, zieht uns zum Hafen.
Wir genießen die wohlige Wärme ihrer Strahlen, welche unserer ungeschützten Haut unbemerkt einen roten Teint verpassen.
Das Wasser schillert von Grün über Türkis bis tief Dunkelblau. Als wir am 13° kühlen Wasser entlang laufen und Steine und Muscheln sammeln, hinterlassen die nackten Füße eine Spur im feuchten Sand. Die nächste Welle reicht, um sie für immer auszulöschen.
Am frühen Abend schnaubt und rattert die Dampfeisenbahn Molli von Heiligendamm nach Bad Doberan. Am Fester des ersten Wagons genießen wir die Landschaft, während immer wieder dicke Dampfschwaden vorüberziehen. Langsam rollt der Zug in das Ortszentrum.
Zum Münster ist es nur ein kurzer Weg. Nach einem Einführungsvortrag lauschen wir den Klängen des Jugendorchesters. Die ehrwürdigen Mauern verstärken die Akustik der Instrumente. Mit dem Bus geht es danach zurück zum Hotel.
Samstag
Start zum Heimweg mit vollem Programm. Es ist „Tag der offenen Gärten“ und wir wollen uns inspirieren lassen. Zuvor müssen wir Räucherfisch kaufen, das haben wir den Kindern zum Sonntagsbrunch versprochen. Leichter gesagt als getan. Wo sind denn die ganzen Fischbuden hin? Als wir beinahe aufgeben wollen, findet sich der kleine Laden von Tante Emma, die hat welchen. Wir kaufen reichlich: Lachsforelle, Saibling, Rotbarsch.
Nun können wir beruhigt weiterfahren, nach Damshagen zur ersten Gartenbegehung. Das Grundstück gleicht einem Urwald. Jeder Quadratzentimeter ist von Pflanzen bedeckt. Ein geordneter Wildwuchs, der sehr romantisch wirkt.
Zweite Station ist die Klützer Blumenkate mit vielen Stauden. Wahre Prachtexemplare bevölkern die Töpfe, umgeben von Jungpflanzen. Wie gut, dass wir uns fest vorgenommen haben, nichts zu kaufen.
Aus Elviras Tagebuch
Thomas betätigt sich als Spaßbremse: „Wir kaufen aber nichts.“ Eine halbe Stunde später: Ich habe mit mühsam zurückgehalten, nur drei Pflänzchen konnte ich nicht widerstehen. Absolute Raritäten, die es bei uns nicht gibt. Da sehe ich Thomas, beide Arme voller Pflanztöpfe. Von wegen, wir kaufen nichts. Er erklärt mir, dass dies wahre Exoten sind, die vortrefflich in unseren Garten passen. Um im Auto alles unterzubringen, müssen wir den Kofferraum umpacken.
Ich möchte gerne ein Stück Kuchen essen. Denkste! „Zu biomäßig“, sagt meine Genussbremse Thomas, „außerdem sollten wir heimfahren und überhaupt isst man mittags keinen Kuchen.“ Was er zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß, ich habe einen kleinen Abstecher in einen weiteren Garten eingeplant. Über kleine Landstraßen und Feldwege dritter Ordnung geht es zum Anwesen der Selbstversorger, Familie Riege in Woitendorf. In diesem Garten herrscht Ordnung pur. Kein Wildkräutchen streckt sein Köpfchen aus der Erde, nicht das geringste Fitzelchen Unkraut. Wie funktioniert das denn? Das Gemüse steht wie die Wachsoldaten in den Beeten. Wird denn davon nichts geerntet. Keine einzige Lücke in den Reihen. Ist das alles nur zum Angucken? Ich denke an unseren Naturgarten zuhause. Beängstigend. Aber, es gibt Kuchen von den Landfrauen. Nun hält mich nichts mehr. Ich fülle mir gleich zwei Stück auf.
Höchste Zeit für die Heimfahrt. Vor Hamburg erwischt uns der 15 km lange Stau. Es wird später und später. Dann sind wir durch, heimfliegen ist angesagt, denn um 20.45 Uhr wollen wir bei Freunden auf dem Sofa sitzen und das Europameisterschaftsspiel der deutschen Mannschaft ansehen, mit der ganzen Theatergruppe. Wir halten an zur Pipipause. Da braucht Thomas sein Fischbrötchen. Ich finde, das ist 1. nicht biomäßig und 2. wirft es uns um Minuten zurück. Das Navi zeigt als Ankunftszeit 21.19 Uhr. Rasen ist angesagt. In Hardegsen biegen wir ab, es geht schneller, von wegen. Warum sind denn so viele Menschen noch unterwegs. Warum sitzen die nicht mit einem Bier in der Hand zuhause auf dem Sofa.
Wir schaffen es beinahe noch zum Anpfiff. Um 20.55 Uhr sind wir in Liebenau.
Ein wunderschöner Urlaub endet mit dem Schlusspfiff. Gewonnen!!