Der Nachmittag und der Abend bei Isabelle und Gerard zählt bisher zu unseren schönsten Pilgererlebnissen und wird uns immer in Erinnerung bleiben. Lernt die beiden etwas näher kennen. Französische Gastfreundschaft in einem winzigen Dorf. Der Garten, für uns eine einzige Pilgeroase.  Wie verlief der Rest des Tages und wie bewältigen wir die 45 km bis Metz. Der Artikel ist der Anschluss an folgenden Bericht:

Pilgern – das Abenteuer Frankreich wartet

Garten

Der Garten, wildromantisch

Der Garten – Oase der Entspannung

Isabelle bietet uns ihre Liegestühle im hinteren Gartenbereich an. Gerne nehmen wir an. Die Nachmittagssonne ist angenehm, nicht mehr so heiß. Wir strecken uns lang aus und entspannen. Im Garten ist nicht alles gemäht, nur ein paar Wegschneisen sind mit dem Rasenmäher freigehalten. Der Rest darf biologisch dynamisch wachsen. Am hinteren Ende stehen ein paar Bienenkästen, ein neu begonnenes Hobby von Isabelle, wie wir später von ihr erfahren.Ruhe

Sie hat auch noch andere Hobbys: Marmeladen, Basteleien, Gärtnern und vor allem malt sie gerne. Die Bilder in ihrem Haus finde ich wunderschön. Besonders Strichzeichnungen, die durch entsprechende Zeilenabstände und Farben jede Menge Struktur bekommen, begeistern mich. Ich weiß nicht, wie man diese Technik genau bezeichnet.

Als wir beinahe am Eindösen sind, bringt uns Isabelle Bier und Erdnüsse in den Garten. Was für ein Service. Sie setzt sich zu uns, beginnt zögerlich deutsch zu reden. Sie würde ein Abendessen für uns bereiten, ob wir damit einverstanden sind. Sind wir natürlich gerne, freuen uns darauf. Auch Isabelle freut sich. Gerard beaufsichtigt derweil am Pool neben dem Haus die Kinder der Nachbarschaft. Die finden sich dort nach und nach ein und nutzen das Becken als öffentliches Freibad. Gerard ist Tibet Fan. Er war bereits zweimal dort. Als Zeichen dafür finden sich am Eingang zum Garten eine Gebetsmühle und eine Fahne.Gebetsmühle

Das Abendessen – Oase der Genüsse

Um 20:30 Uhr ruft Isabelle zum Essen, der Magen knurrt bereits mächtig. Das Mahl beginnt mit einem gerösteten Baguette mit heißen Knoblauchtomaten und Salat. Es folgen:
2. Gang Linsen-Apfelsalat
3. Gang Gebratenes Hühnchen mit Nudeln und Roquefort-Sahnesoße
4. Gang Fromage
5. Gang Johannisbeer- Rhabarberjoghurt mit Keksen und Löwenzahn

Dazu Weine in Weiß, Rose und Rot, sowie diverse Liköre aus Isabell’s eigener Produktion. Die führen mit fortschreitender Zeit zu einer ständig besser werdenden Deutschkonversation mit Isabelle. Ihre Oma hatte als Kind deutsch mit ihr geredet, aber als sie verstarb, geriet einiges in Vergessenheit. Die gute Stimmung filtert es gerade wieder aus den ungenutzten Hirnwindungen.
Als ich ihr erzähle, dass ich aus Obst Wein hergestellt habe, ist bei ihr die Idee für das nächste Hobby geboren.nette Runde

Für Gerard muss Isabelle nun immer ins Französische übersetzen. Trotzdem kommt auch er in Stimmung und legt ständig neue CD`s in den Player. Er ist Musiker in einer Band und wir bekommen das gesamte Repertoire vorgestellt.
Es ist lange dunkel und unter dem Vordach versammeln sich, angelockt vom Licht, Unmengen von Insekten, die in die Freiheit streben wollen. Bevor wir zu Bett gehen, geben wir Isabelle noch unsere Pilgerpässe, da sie sich irgendwie um Stempel bemühen will. Wankend steigen wir die Treppe nach oben, verschwenden keinen Gedanken an den morgigen Tag.

Bis Metz sind es 45 Kilometer. Zu weit für eine Etappe.

Das Frühstück – Oase der Ernüchterung

Es klappert bereits unten in der Küche, als wir die Augen aufschlagen und die kleine Kirchenglocke am anderen Ortsende schlägt achtmal. Am liebsten würden wir noch zwei Tage bleiben, aber als Pilger zieht man weiter. So üppig wie das Abendessen war, so spärlich ist das Frühstück. Baguette, Marmelade und Kaffee schwarz. Das ist nun überhaupt nicht nach meinem Geschmack, ich vermisse Herzhaftes, schon am ersten Morgen in Frankreich.
Dafür überreicht uns Isabelle unsere Pilgerpässe mit dem neuen »Stempel« von Saint Marguerite. Bunt ist er, zwei Pilger auf der Ortsstraße und im Hintergrund die Kirche am Ortsende. Es ist eine filigrane Zeichnung, die Isabelle noch in der Nacht für uns gefertigt hat. Unser schönster Stempel.Pilgerstempel

Das ist noch immer nicht alles an guten Überraschungen, die die Beiden für uns haben. Es ist Pfingstsonntag. Sie wissen, dass die Etappe bis Metz heute zu weit für uns ist. Also haben sie für sich spontan einen kleinen Ausflug beschlossen und bieten uns an, im Auto einige Kilometer, mitzufahren. Natürlich freuen wir uns, nehmen an, wohl wissend, dass sie wahrscheinlich Anderes geplant hatten. Sie hätten uns auch bis Metz gefahren, aber das lehnen wir ab. Zum Abschied machen wir noch ein paar Erinnerungsfotos im Garten. Danach fahren wir los.Erinnerung

Vigy – Metz 19 km

Sie nehmen uns mit bis Vigy und setzen uns dort am Touristenstübchen ab. Ein paar Meter weiter gibt es eine alte Bahnstrecke, auf der man mit einer Draisine fahren kann. Leider in die falsche Richtung, denn das wäre doch mal ein angenehmes Vorankommen.

Hinter dem kleinen Bahnhof biegen wir nach links ab und folgen wieder der Muschel. Der Weg führt wieder entlang der Felder, durch kleinere Orte und teilweise wieder auf Straßen. Es ist nicht mehr so weit nach Metz, aber die Sonne brennt unbarmherzig heiß und weicht den Asphaltbelag an einigen Stellen deutlich auf. Zur Kapelle der Fatima geht es wieder deutlich bergauf, ich beginne zu schnaufen. Elvira ist irgendwann hinter mir nicht mehr zu sehen. Sie wird schon kommen, ich habe keine Lust stehen zu bleiben, erst wenn ich oben bin. Dort suche ich mir einen Schattenplatz, zerre den Rucksack von der Schulter und strecke mich unter der Linde aus. Ein altes Volkslied kommt mir in den Sinn:

»Am Brunnen vor dem Tore, da steht ein Lindenbaum.
Ich träumt ins seinem Schatten, so manchen süßen Traum…«

 

Es dauert, bis Elvira ankommt, sie hatte in der Kapelle noch eine Kerze angezündet. In der Kapelle lag ein Buch, in dem man sich eintragen konnte. Dort las sie, dass Britta hier war, und zwar heute. Klar, durch die Autofahrt hatten wir eine Etappe übersprungen und sie somit wieder eingeholt. Bestimmt würde auch sie in Metz übernachten.Fatima

Nun liegen wir beide im Schatten, drücken uns vor der größten Mittagshitze. Wir schauen nicht auf die Uhr, es wird lange hell sein und Metz ist relativ groß, da wird sich eine Unterkunft finden.

Als wir schließlich weiterlaufen, ist der Straßenteer wie Gummi. Die Hitze steigt durch die Sohlen, die Füße schwitzen, die Socken sind feucht. Beste Voraussetzungen für Blasen an den Füßen. Als wir den Stadtrand von Metz erreichen, ist es beinahe 17:00 Uhr. Ein Außenthermometer an einer Apotheke zeigt 34° C an. Metz ist größer, als erwartet und bis in das Zentrum laufen wir noch eine weitere Stunde. Der Weg scheint sich ewig weit zu ziehen. Nirgends finden wir Schatten, kaum ein Mensch ist auf der Straße. Die Fensterläden sind überall verschlossen. Endlich erreichen wir die Promenade und sind einmal mehr am geliebten Moselufer. Hier gibt es auch wieder Bäume, die Schatten spenden. Weit vor uns sehen wir die Kathedrale, das Altstadtzentrum von Metz beherrschend.Mosel

Eine Bank am Wasser lädt uns zu einer kleinen Rast ein. Wir setzen uns nieder und sammeln noch einmal die letzten Kräfte. Die ersten Schritte nach so einer Pause sind immer besonders schwer. Man hat das Gefühl, der Körper wehrt sich, ergibt sich aber nach hundert Metern wieder seinem Schicksal.Metz

Im Zentrum von Metz

Vor und in der Kathedrale sind doch zahlreiche Menschen versammelt. Wir fallen auf als Pilger. Einige betrachten uns aus den Augenwinkeln, andere taxieren uns lange und manche sprechen uns sogar an, wünschen alles Gute. Pilger sind hier etwas besonderes. Wir treffen auf Christel und Hermann, auch Pilger und auch in Trier gestartet. Sie übernachten in einer Jugendherberge.Kathedrale Metz

In der Touristinfo holen wir uns den Stempel, trinken in der  belebten Fußgängerzone ein Bier und suchen dann ein Hotel.  Nach dem Duschen behandeln wir die Blasen an den Füßen und gehen nochmals auf die Straße. Vielleicht treffen wir ja Britta irgendwo. Weit laufen wir allerdings nicht mehr. In einer Brasserie essen wir zu Abend und bringen dann unsere  müden Knochen in’s Hotelbett.

Endlich ausruhen!

Demnächst könnt Ihr hier lesen, wie es weiterging. Die Pilgerherberge am Etappenziel gab es nicht mehr, was nun? Warum alles Schlechte auch sein Gutes haben kann. Bis dahin, schöne Zeit….