Hoffentlich schafft die Enkelin die längste Etappe unserer Wanderung. Das heutige Ziel ist Rübeland, der Weg ist weit. Doch zunächst ist die Frage zu klären, wie wir von Schierke zurück auf den Hexenstieg kommen.
Aus dem Tagebuch der Enkelin
Heute sind wir in der Pension Andrä los gewandert. Oh, vergessen: Wir haben noch ausgiebig gefrühstückt. Nach 2 km kam schon die erste Stempelstelle. Nun sind wir weiter einen Blumenpfad gegangen, der am See entlang führte. Es ging über Stock und Stein. Als wir vom Pfad runter wollten, mussten wir ein bisschen klettern, damit wir wieder auf den richtigen Weg kamen. Nun wanderten wir einen Fluss entlang und kamen zu einem Wasserfall. Mimi spielte mit mir viele Spiele, denn sie wollte nicht, dass ich die Schilder lese, wo die Km-Zahlen der Strecke drauf standen. Es dauerte ziemlich lange bis wir im Ort Rübeland eintrafen. Heute legte ich fest, dass die hier keine Rüben zubereiten können. War auch so.
Entschuldigung, wie kommen wir nach Rübeland?
Auch in unserer Pension ist das Restaurant geschlossen, da es keine Nachfolgerin für die ehemalige Pächterin gab. Jetzt gibt es in den Räumen ein ausgiebiges Frühstück, zubereitet vom netten Pensionseigentümer. Wir sind startklar, doch zuvor müssen wir noch die Frage klären wie es von Schierke „hexenstiegsmäßig“ nach Rübeland weitergeht. Der offizielle Weg hätte ja über den Ort 3-Annen geführt. Bei Klaus und Jakob (Vater und 11-jähriger Sohn) dürfen wir in die Wegekarte schauen und entscheiden uns für den Mandelholzer Fußweg. Die beiden Männer wollen die Alte Heerstraße nehmen.
Wetten, der Weg ist heute 12 km lang?
Alles geklärt, los geht’s. In Schierke gehen wir am schmucken Rathaus vorbei. An der Apotheke, dem Stammhaus des berühmten Schierker Feuergeist, freut sich die Enkelin über den ersten Stempel dieses Tages, auch wenn es sich „nur“ um einen Sonderstempel handelt.
Es dauert, bis wir den lang gestreckten Ort durchwandert haben. Am Campingplatz schließen die 10-jährige und ich eine Wette ab. Geraten werden muss, wie weit der Weg heute ist. Sie sagt 15 km, ich 12. Das ist von mir bewusst geschummelt, lenkt sie aber von der wirklichen Länge der Etappe ab, immerhin sind 20 km zu bewältigen. Natürlich gewinnt sie und streicht am Ende 2 € ein, welche ich gerne zahle. Meine wundervolle Enkelin ist ohne Jammern und Klagen die gesamte Strecke gelaufen. Ich bin mega stolz auf ihre Leistung. Man muss bedenken, dass sie nicht nur läuft sondern auch ihren Rucksack trägt, welcher immerhin 10% ihres Körpergewichts ausmacht.
Blumen, so weit das Auge sieht
Am Ende des breiten Mandelholzer Fußwegs stehen wir auf einer kleinen blauen Brücke und blicken auf die Kalte Bode. Traumhaft ist der kleine Trampelpfad, der auf der linken Seite am Fluss und dem Mandelholzer See entlang führt. Wir fühlen uns wie Blumenkinder inmitten von Goldrute, Frauenflachs, Glockenblumen, Rainfarn und mehr. Insekten summen und fliegen uns bei ihrer Suche nach süßem Nektar um die Ohren. Wir können nicht anders: Als wir ein freies Plätzchen finden, legen wir uns hinein in diese wundersame Wiesenwelt und schauen den Bienen bei der Arbeit zu.
Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg
Über den Damm wechseln wir auf die andere Seite des Sees, kraxeln ein Stückchen bergauf und naschen dabei von den wilden Himbeeren. Ach, ist es schön hier. Rechts geht es auf einem schmalen Pfad weiterhin entlang der Kalten Bode. Gerahmt wir der Weg von duftenden Kräutern, über die Wolken von Schmetterlingen gaukeln. Schließlich entdecken wir durch das Laub der Bäume den Königshüttener Wasserfall. Dummerweise auf der anderen Seite des Flusses. Doch wo ein Wille ist, gibt es auch einen Weg. Wir wurschteln uns durch das Gebüsch einen Hang hoch und landen auf der verfallenen alten Eisenbahnbrücke. Vertrauen erweckend sieht anders aus, doch sie führt uns zum Ziel und das ist die Hauptsache. Sie wird uns schon aushalten ohne zusammenzubrechen.
Während die Enkelin ihren Stempel Nr. 40 holt und am Wasserfall herumklettert, halte ich Siesta. Bisher haben wir erst die Hälfte der heutigen Etappe geschafft. Königshütte selbst ist ein ewig lang gestreckter Ort. Wir hoffen, irgendwo ein Eis zu bekommen. Fehlanzeige. Auch der befragte Postbote hat keine Ahnung, wo wir an diese Schleckerei kommen könnten.
Hexen-Schabernack nach Königshütte und eine verschwundene Ruine
Hinterm Ort treiben die Hexen wieder mal ihren Schabernack mit uns. Wir erwischen den falschen Abzweig, landen fast auf der Ruine Königsburg, finden jedoch nach einigem Hin und Her den richtigen Weg. Wir laufen weiterhin entlang der Kalten Bode, die durch die Königshütter Talsperre zu einem See gestaut wird. An der Trogfurter Brücke gibt es den Stempel Nr. 42. Wir genießen die Ausblicke und den Duft der Kräuter, die die Brachen besiedeln, wo vorher einmal Tannen oder Fichten standen.
Pause. Schließlich müssen Wandersleute auch essen und trinken. Ein Schild verkündet, dass wir gegenüber die Ruine Susenberg sehen und dort im 13. Jahrhundert die Handelsstraße von Italien nach Skandinavien entlang führte. Den Berg sehen wir, aber keine Burg.
Wir bleiben der Bode treu. Auf einem sehr schönen schmalen Pfad, der an Felswänden entlang führt, wandern wir Rübeland entgegen. „Ob dort wohl der Riese „Rübezahl“ wohnt?“, grübeln wir, „oder gibt es besonders viele Rüben zum Essen?“ Wir sind gespannt.
Rosarote Wölkchen und ein Luftschloss
Damit die Enkelin nicht bemerkt, wie lang die heutige Wanderetappe ist, haben wir dauergespielt, deshalb bin ich nicht nur körperlich sondern auch mental ziemlich hinüber als wir die letzten 2 km entlang der Landstraße in Angriff nehmen. Im Ort wieder verlassene Gaststätten. An der Baumannshöhle leuchtet uns das Schild des Restaurants „Grüne Tanne“ entgegen. Es hat geöffnet. Unserer Lebensgeister erwachen, als wir die Karte lesen. Das Wasser läuft uns im Mund zusammen. Rosarote Wölkchen steigen auf, als wir uns ausmalen wie wir nachher hier sitzen und Bratkartoffeln mit Ei schlemmen. Als wir einen Tisch für den Abend reservieren wollen, purzeln wir jäh aus unserem Luftschlösschen und landen auf dem harten Boden der Realität. „Um 17.00 Uhr ist Schluss. Abendessen gibt es nicht“, verkündet die Servicekraft.
Enttäuschung hoch 2 in Rübeland
Macht nichts, trösten wir uns, dann gibt es eben gleich ein riesengroßes Eis. Gut gelaunt laufen wir weiter zu unserem gebuchten Zimmer im Eiscafé Nr. 1 und stehen vor verschlossenen Türen. Wir klingeln den Vermieter heraus und erfahren von ihm, dass er wegen der Corona-Pandemie kein Eis anbietet. Es ist zu mühsam mit diesen ganzen Vorschriften. Als ob das noch nicht reicht, informiert er uns, dass es im ganzen Ort nichts zu essen gibt, doch mit dem Bus könnten wir nach Elberode in ein Restaurant fahren. Wollen wir aber nicht. Schnell flitze ich zum Kiosk an der Hermannshöhle, um dort noch ein Getränk für das Kind und einen Kaffee für mich zu ergattern bevor auch der schließt.
Hier haben wir gewohnt:
Der Inhaber des „Eiscafé Nr. 1“ macht zwar im Moment kein Eis, doch er hat die Zeit des Lockdowns genutzt und das ehemalige Pfarrhaus saniert. Dort beziehen wir ein hübsches kleines Zimmer und bestellen mal wieder Pizza beim Lieferdienst. Darauf ist 100% Verlass. Im kleinen Gärtchen genießen wir unser Mahl. Natürlich haben wir mal wieder viel zu viel bestellt, die Augen sind halt größer als unser Magen. Nach Wäsche waschen, Uno spielen, Tagebuch schreiben oder YouTube Filmchen ansehen gehen wir früh schlafen. Der Tag war anstrengend und das Frühstück erwartet uns um 8.00 Uhr. In der Eisdiele ohne Eis.
Klick hier zur 4. Etappe: von Torfhaus über den Brocken nach Schierke
Hier geht es zur 6. Etappe: Über die längste Hängebrücke der Welt, die Titan RT