Wir starten heute in Metz. Mit dem Frühstück in Frankreich stehe ich noch auf Kriegsfuß. Der Weg entlang der Mosel ist traumhaft schön, man könnte meinen, er führt direkt ins Paradies. Aber Jakobus holt uns am Etappenziel wieder zurück, auf den Boden der Tatsachen. Zuerst kein Bett und dann ein Kampf…

Durch das noch schlafende Metz laufen wir am Morgen zum Ufer der Mosel. Elvira hat sich zum Frühstück ein Baguette gekauft, mir ist das in der Frühe noch zu trocken, so ganz ohne Wurst. Weißbrot und Marmelade, das kann man doch nicht Frühstück nennen. Dann wollten die auch noch 10 Euro dafür im Hotel. Nein danke, da laufe ich doch lieber hungrig durch den Morgen.  Doch wenn der Tag schon so beginnt…

Metz

Start in Metz

Wunderschön ist hier die Mosel

Der Weg führt an beiden Moselufern weiter. Links oder rechts, beide Wege sind toll. Wir entscheiden uns natürlich für die falsche Seite und gehen auf dem Radweg. Jetzt, da die Franzosen erwacht sind und am Pfingstmontag ihr Sportprogramm absolvieren, klingelt es alle Nase lang hinter uns. Wir treten zur Seite  und lassen die Radler passieren.  Es geht vorbei an den Sportanlagen des Fußballklubs, an Hausbooten (die man zur Übernachtung mieten kann) und an Schrebergärten.  Alleen von Spitzahorn, Kastanien und Linden wechseln sich ab und bieten Schutz vor den bereits jetzt schon sengenden Sonnenstrahlen. An der nächsten Brücke wechseln wir dann auch zum anderen Ufer auf den Fußweg.

Moselweg

Hinter Ars sur Moselle halten wir unsere Mittagsruhe im Schatten eines Baumes ab. Zwei Drittel der Strecke sind geschafft und wir müssen noch weiter bis Ancy. Die Unterkunft konnten wir dort noch nicht reservieren, da niemand ans Telefon geht. Das macht mich schon wieder unruhig, ich würde schon gerne wissen, wo ich übernachten kann. Dafür habe ich jetzt aber Hunger. Also greife ich nun doch zum Baguette, welches durch die Hitze inzwischen furztrocken ist. Was soll’s, mit viel Wasser dazu kriege ich es runter. Eine Schwanenfamilie freut sich über die Reste.

Schwäne

Jakobus will uns zappeln lassen

Am Nachmittag erreichen wir Ancy, die Hitze hat uns zu schaffen gemacht und wir freuen uns auf das Etappenende. Die Unterkunft befindet sich allerdings am äußersten Stadtrand und wir müssen noch einmal 1,5 km laufen. Ein schweres Gittertor versperrt uns den Eingang zur Herberge. Eine Klingel? Gibt es hier nicht. Wir rufen. »Hallo!«
»HAAALOOO!«
Niemand meldet sich. Ich überlege kurz, ob die Franzosen überhaupt Hallo verstehen.

Wenn dieser schei.. Rucksack nicht wäre, ich hasse es, mit dem Ding irgendwo stehen zu bleiben, habe das Gefühl, er wird immer schwerer. Genervt rattere ich mit meinem Pilgerstock am Gitter entlang. Da, endlich kommt doch jemand. Auf Randale reagieren sie also. Ein Mann fragt, was wir wollen.
»Übernachten!«
Nein, seit einem Jahr nicht mehr, die Herberge ist zu. Wo es sonst etwas gibt, fragen wir. Sein Schulterzucken gefällt mir danach gar nicht. In Dornot – vielleicht, oder in Novéant.
So ein Mist, der Tag fing schon bescheiden an. Als Ausgleich für den schönen Weg will uns der heilige Jakobus etwas weiter laufen lassen. Der erste Ort ist 4,5 km weiter, der zweite 10 km, plus die 1,5 km durch den Ort zurück. Pah, keine Lust mehr. Ich beschließe, zum Bahnhof zu gehen und mit dem Zug zu fahren. Aber Jakobus war schneller, der Zug ist gerade weg. Frustriert sitzen wir im Park und halte eine ausführliche Lagebesprechung. Bis Dornot würden wir heute noch gehen, bis Novéant ist es uns zu weit. Alternativ nehmen wir die Schlafsäcke und betrachten heute Nacht den Sternenhimmel.

wege

Etwas Französisch ist immer gut

Wir strapazieren die Handys und suchen nach einer Unterkunft in Dornot. Elvira findet ein Chambre d’hòtes, leider nicht bei booking.com. Also anrufen. Sie schaut noch einmal in den kleinen Reiseführer und ruft an:
» Est-ce que vous avez une chambre libre pour deux personnes?«
Voller Spannung verfolge ich Elviras Gesichtsausdruck bei der Antwort. Zuerst werden ihre Augen größer, dann legt sich die Stirn in Falten, immer mehr und schließlich öffnet sich der Mund. Am Ende deutet die Mimik ihrer Gesichtsmuskeln an:
»He?????«
Sie hat lediglich ein »Qui« oder »Non« erwartet, aber was nun auf sie einprasselt, ist ein Schwall von Fragen, deren Verstehen jenseits ihrer Sprachkenntnisse liegt. Es entsteht eine peinliche Pause, in der sie überlegt, wie sie dies der Dame am anderen Ende klarmachen kann. Jakobus hat aber endlich ein Einsehen. Madame spricht ein wenig Deutsch und hat noch ein Zimmer frei.
Also auf nach Dornot. Nein, meint Elvira, es ist in Novéant, in Dornot gibt es nichts. Jetzt bin ich sogar stinksauer. Dieses miese Gefühl wenn Du denkst, Du bist am Ziel, die Füße schmerzen, die Blasen piksen und der Rucksack drückt und dann musst Du nochmal knapp 3 Stunden laufen. Verdammte Pilgerei, warum tue ich mir das hier an, ich habe Urlaub.

Jakobus sendet einen Kämpfer

Wortkarg absolvieren wir die nächsten Kilometer. Dann geht es auch noch bergauf. Jakobus scheint heut seinen Spaß zu haben. Plötzlich steht eine Ziege auf den Weg. Kampfbereit senkt sie den Kopf und bringt ihre Hörner in Position. Ha, du stinkender Geißbock, da kommst du aber gerade an den Richtigen. Deinetwegen werde ich jetzt nicht noch einen Bogen machen. »DU ODER ICH.«
Dabei erinnere ich mich an eine Filmszene in »Herr der Ringe«, wo Gandalf den Berggeist anschreit: »Du – kommst – nicht – vorbei!!!«
Das werden wir ja sehen. Ich fuchtele etwas mit dem Pilgerstock, das habe ich mal bei Ninjakämpfern gesehen. Der Bock sieht auch mein Funkeln in den Augen, erkennt welche Gefahr ihm droht. Dann hebt er langsam wieder den Kopf, als wolle er sagen: »War nur ein Scherz«, springt zur Seite und tut so als wären wir ihm egal.
»Feigling!«

Wir bekommen Verstärkung

Ohne weitere Zwischenfälle erreichen wir unsere Unterkunft. Madame zeigt uns das Zimmer. Vor der Tür zum Nebenzimmer sehe ich ein paar Wanderstiefel und einen Pilgerstock. Beides kann nur zu Britta gehören. Wir treffen sie etwas später im Garten. Wie auch wir, will sie zum Abendessen gehen. Gehen ist eigentlich übertrieben, denn die Füße schmerzen nach der kurzen Ruhephase so sehr, dass wir wie ein paar Zombies die paar hundert Meter bis zum Restaurant tippeln.

Chambers d`hòtes

Chambre d’hòtes

Ein gutes Essen und eine Flasche Wein bringen den Tag wenigstens noch versöhnlich zum Ende. Dabei erzählen wir uns die Erlebnisse der letzten Tage. Auch Britta hat einiges erlebt, war stramm marschiert und beschließt noch am Abend, die nächsten Tage mit uns zu laufen. Langsamer zwar, aber dafür in Gesellschaft, zumindest bis sich unsere Wege endgültig trennen.