Die Rhön ist das Land der offenen Fernen. Ungehindert schweift der Blick von den zahlreichen Hügeln und Bergen in die Weite. Ursprüngliche Wälder wechseln sich ab mit menschenleeren Hochebenen, hübsche Fachwerkdörfer mit kleinen feinen Städten und dunkle Moore mit lieblichen Tälern.

Die Rhön im Dreiländereck

Drei Bundesländer teilen sich dieses Mittelgebirge im Herzen Deutschlands: Hessen, Thüringen und Bayern. 1991 wurde es von der Unesco zum Biosphärenreservat ernannt und ist damit eine der Modellregionen, in denen nachhaltige Entwicklung in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht gefördert werden soll. In den 6 Tagen die wir dort unterwegs waren begegneten uns freundliche Menschen, entdeckten wir verwunschene Winkel und die beliebten Ausflugsziele, welche Besucher in Scharen anlocken.

Mellrichstadt und das Biohotel „Sturm“

Jetzt kommt erst einmal der Werbeblock (muss sein, auch wenn ich alles selbst bezahlt habe)
Wir wohnen in Mellrichstadt im wunderbaren Biohotel „Sturm“. Die Sonne scheint schon früh am Morgen vom strahlend blauen Himmel. Also, was liegt näher, als gleich nach dem Aufstehen in den herrlich großen Schwimmteich zu springen und einige Runden zu schwimmen, begleitet vom noch müden Quaken der Frösche. Danach laufe ich über den Barfußpfad, autsch, tut das weh und anschließend durch den Naschgarten. Zuckersüße Himbeeren sind der Ausgleich für diese Strapazen. Zum Frühstück und Abendessen schlemmen wir uns durch die Köstlichkeiten aus dem Garten oder der Region. Lecker. Und wenn wir nicht gerade am Teich bei 32° im Schatten vor uns hindösen, ein bisschen im Spa-Bereich wellnessen oder im „Haus der Stille“ ruhen, dann erkunden wir die Gegend.

Biohotel Sturm

Pure Wonne am frühen Morgen: der Schwimmteich

Biohotel Sturm, Mellrichstadt

Der Barfußpfad umrahmt das Insekten- und Bienenbeet

Mellrichstadt, Biohotel Sturm

Die Kräuterbeete und der Naschgarten. Es duftet und die Himbeeren waren so lecker

Beklemmungen am ehemaligen Todesstreifen

30 Jahre ist es nun her, dass die „Mauer“ fiel, jene innerdeutsche Grenze welche Ost- von Westdeutschland trennte. Wie es ist, wenn Familien oder über Jahrhunderte gewachsene dörfliche Strukturen auseinandergerissen werden, kann man immer noch nachvollziehen, wenn man an einem der Mahnmale dieses unüberwindbaren Todesstreifens steht.

Rhön, Grenztürme

Grenzpfähle und die DDR- Grenzsäule unmittelbar vor dem Grenzverlauf

Wir wandern auf dem Kolonnenweg (Parkplatz „Schwarzes Moor“) zu einem der noch 20 existierenden Grenzwachtürme. Dabei erzähle ich Thomas, dass meine Oma und meine Mutter aus dem Sudetenland stammten. In den Wirren des 2. Weltkrieges landeten sie als „Vertriebene“ in der Nähe von Leipzig. Um einen kranken Verwandten zu pflegen, kamen beide nach Nordhessen und blieben dort. Eine Lebensentscheidung, die sie von ihren Schwestern und den Bruder sowie deren Familien trennte. Einmal im Jahr reisten wir 4 Wochen zur Verwandtschaft in den Osten, um alle zu sehen. Ich war noch ein kleines Kind, kann mich aber trotzdem gut an die Zugfahrten erinnern und die Anspannung, die beim Passieren dieser Grenzlinie und den damit verbundenen Kontrollen herrschte. Thomas wiederum erzählt von seinem Leben im Osten.

Rhön, Kolonnenweg am Grünen Band

Reste der ehemaligen Grenzsperranlage: der Kolonnenweg

Bedrückend, hier an diesem Grenzzaun zu stehen.
Beglückend, dass die zwei deutschen Staaten wiedervereinigt sind, wir uns kennenlernen durften und nun zusammen leben.

Rhön an der deutsch-deutschen Grenze

Beklemmend: ein Rest des Grenzzauns in der Rhön, der Deutschland bis zum 25. November 1989 teilte

Rhön, grünes Band

Grenzräume = Rückzugsräume. Hier konnte sich die Natur ungestört entwickeln und bildet heute das „Grüne Band“ durch Deutschland

Das „Schwarze Moor“ – mystisch und schaurig?

Auf dem Weg ins Moor kommen wir an einem steinernen Torbogen vorbei. Er markiert den Eingang zum ehemaligen Reichsarbeitsdienstlager „Dr.-Hellmut-Lager“, welches zwischen 1934 und 1936 errichtet wurde.

Schwarzes Moor, Rhön

Es steht nur noch das Tor zum ehemaligen Arbeitslager

Das nächste Tor ist der Eingang zum Naturdenkmal „Schwarzes Moor“. Es liegt in der bayrischen Rhön und ist das größte Hochmoor. Wegen seiner Schönheit wurde es bereits 1939 unter Naturschutz gestellt. Dadurch blieb es vom Torfabbau weitgehend verschont und konnte seine Ursprünglichkeit bewahren. Noch nie hatte ich ein Moor gesehen und erwartete eine dunkle, nebelige, quatschnasse, auf jeden Fall eine mystische Gegend, die Menschen verschlingt, wenn sie sich zu weit hineinwagen. Doch hinter dem Durchgang breitet sich nur eine gemähte Sommerwiese aus. Meine Enttäuschung ist ziemlich groß.

Schwarzes Moor in der Rhön

Statt Nebel und Mystik nur eine gemähte Sommerwiese.

Rhön, Schwarzes Moor

Im Randbereich des Hochmoores wachsen Gräser

Bestimmt kommt es besser, schließlich muss man ja auf einem Bohlensteg durch dieses einzigartige Hochmoor wandern. Die Wiese geht über in Gebüsch, dazwischen große Flächen mit Gräsern. Dann wird es spannend. Wir tauchen ein in einen Wald voller Moorbirken. Nur sie kommen mit diesem extrem sauren Standort klar. Huuhuu, düster ist es hier und gefährlich, ein Schild warnt vor Kreuzottern. Wir verlassen diesen Randbereich, das Niedermoor und blicken auf das Hochmoor. Gespenstisch ragen verkrüppelte Kiefern aus der braungrünen Landschaft.

Moorbirken

In jedem Moorstadium ein anderer Bewuchs, hier die Moorbirken

Schwarzes Moor, Rhön

Jetzt wird es doch noch gefährlich.

Unheimlich sind die Mooraugen. Wissenschaftler rätseln, wie diese teichartigen runden Wasserflächen entstanden sind. Die Sage erzählt, dass sich auf dem Grund ein versunkenes Dorf befindet und bei Vollmond traurige Geister über dem Moorauge schweben. Schließlich wird es doch schaurig. Todesurteile sollen im Moor vollstreckt und Morde vertuscht worden sein. Vor nicht allzulanger Zeit fand man sogar die Leiche eines Soldaten.

Moorauge im Schwarzen Moor

Geister und Zauberwesen irrlichtern nachts über dem Moorauge

Mörderisch ist auch der rundblättrige Sonnentau. Diese „fleischfressende Pflanze“ gleicht die Nährstoffarmut des Hochmoores aus, indem sie mit ihrer klebrigen Oberfläche Insekten fängt, sie zersetzt und den eiweißreichen Brei aufnimmt. Ein Anpassungskünstler und Spezialist für das Überleben unter extremen Bedingungen. Vorsicht – nicht berühren, es könnte vielleicht danach ein bisschen was vom Finger fehlen.

Rhön, Schwarzes Moor, Sonnentau

Der Rundblättrige Sonnentau frisst alles, was ihm zu nahe kommt

Der Lehrpfad durch das „Schwarze Moor“ ist 2,7 km lang mit 22 Informationstafeln. Für Kinder gibt es Extraschilder und ein Moorbecken. Wem der Rundweg zu lang ist, kann gleich auf den in der Nähe des Eingangs stehenden Aussichtsturm klettern

Das „Rote Moor“ – ausgebeutet und zerstört

Das zweite Hochmoor liegt in der hessischen Rhön. Fast hätten es die Menschen geschafft, aus dem „Roten Moor“ ein totes Moor zu machen. 175 Jahre lang wurde es wirtschaftlich genutzt mit verheerenden Folgen. Stach man zuerst die Torfsoden nur per Hand ab, um Brennmaterial zu gewinnen kamen später Abraumbagger, weil Torf durch seine Eigenschaft Wasser aufzunehmen und zu speichern eine vorzügliche Gartenerde abgab. Außerdem wurden Unmengen für Moorbäder in den Kurorten gebraucht, da die Moorerde gegen Rheuma half.

Rotes Moor, Hessische Rhön

Es wird Jahrhunderte dauern, bis sich das „Rote Moor“ vom industriellen Torfabbau erholt hat.

95% der deutschen Moore sind heute trockengelegt, zerstört von der Torfindustrie. Noch immer enden 8 Millionen Kubikmeter Torf als Blumenerde, obwohl man inzwischen weiß, dass Moore der Schlüssel zum Klimaschutz sind, da sie große Mengen CO2 speichern können. Das „Rote Meer“ hatte Glück im Unglück, denn bereits seit 1975 laufen umfangreiche Renaturierungsmaßnahmen. Eine davon ist der sehr idyllische Moorsee, welcher hinter einem Zaun gleich am Beginn des Rundweges liegt.

Hessische Rhön, Rotes Moor

Seltsame Wesen bevölkern das „Rote Moor“

Wir haben das Auto am Parkplatz „Moordorf“ stehen gelassen. Der Rundweg ist insgesamt ca. 3,5 km lang, führt über einen Bohlenpfad und der ehemaligen Reichsstraße. Ein Aussichtsturm bietet den besten Überblick über die Wiedervernässung des großen Roten Moores. Das NABU-Haus am Parkplatz erzählt in der Ausstellung „Moorfibel“ die Geschichte der Moore. Klasse gemacht, spannend für jedes Alter und dazu noch kostenlos.

Die Rhön bietet für Alle etwas. Kunst- und Theaterinteressierte kommen hier ebenso auf ihre Kosten wie Sternengucker, Ruhesuchende, Genießer, Schlemmer, Familien und Aktivsportler. Jeder findet in dieser vielseitigen Natur sein eigenes kleines Paradies.

Und weil es in der Rhön so schön war, gibt es demnächst noch mehr darüber zu lesen.

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Rhön, Land der Ferne, Moore

Die Rhön – Land der Ferne und der Grenze