Die heutige Etappe führt uns von Buntenbock nach Altenau, doch zuerst genießen wir das reichhaltige Frühstück. Mit vielen guten Wünschen und Hinweisen zum weiteren Weg verabschiedet uns unsere Gastgeberin.

Aus den Aufzeichnungen der Enkelin

Wir wollten auf dem Harzer-Hexen-Stieg weiterlaufen, doch sofort gab es wieder eine Umleitung. Das kannten wir schon und haben uns deshalb das Schild nicht näher angesehen. Nach einer Weile bemerkten wir, dass wir falsch gingen. Also wieder zurück. Es dauerte, bis wir endlich den richtigen Weg fanden. Nun ging es schmale Pfade hoch und runter. Im Wald wuchsen Himbeeren, Brombeeren und Blaubeeren. Wir kamen nur langsam voran, weil wir ständig am Essen waren. Überall flossen Bächlein und es gab ganz viele Gräben, Teiche und Seen. Spannend war es über die Gräben zu hüpfen. Ich habe es ohne nasse Füße geschafft. Insgesamt sind wir heute 16 km gelaufen. Als wir in unserem Hotel „Engel“ in Altenau ankamen waren wir sehr erschöpft.

Die Seele baumelt in Buntenbock

Sanft führt der Pfad bergauf durch die Buntenbocker Bergwiesen. Eifrig studieren wir die Hinweistafeln und freuen uns, wenn wir die beschriebenen Blüten im bunten Blumenmeer entdecken. Zurück auf den Harzer-Hexen-Stieg sehen wir vom Waldsaum noch einmal hinunter auf Buntenbock. Beschaulich liegt der Ort inmitten von saftigen Wiesen, dunklen Wäldern und blau schillernden Teichen. Wir geraten bei diesem zauberhaften Anblick ein bisschen ins Schwärmen. Still ist es. Pure Idylle. Nichts stört. Falls du Ruhe und Entspannung suchst und mal deine Seele baumeln lassen willst, dann bist du hier genau richtig.

Buntenbock, Harzer-Hexen-Stieg

Es summt und brummt auf dem Buntenbocker Bergwiesenweg

Welterbestätte „Oberharzer Wasserregal“

Wir freuen uns jetzt erst einmal auf die heutige Wanderetappe, denn sie ist geprägt von Teichen, Gräben und Wasserläufen, dem Oberharzer Wasserregal. Wasser ist fest verbunden mit der 1000-jährigen Harzer Bergbaugeschichte. Zum einen war es lästig, denn es sickerte unaufhörlich in Schächte und Stollen und behinderte den Abbau der reichen Erzvorkommen. Auf der anderen Seite konnten mit Wasserkraft jedoch die Maschinen betrieben werden. „Wasser mit Wasser heben“ lautete deshalb die Parole, welche man im großen Stil praktizierte.

Unterwegs auf dem Wasserwanderweg

Am Waldrand vorbei führt der Weg zunächst zum Ziegenberger Teich, einem alten Bergbauteich, der heute ein beliebtes Ausflugsziel ist. Wir nehmen den Uferpfad, der sich durch die Wiesen schlängelt und gelangen zum gleich dahinter liegenden Bärenbrucher Teich, malerisch umrahmt von dunklen Tannen und bunten Blumen. Traumhaft schön. Am liebsten würden wir hier schon eine Pause einlegen, doch wir sind gerade erst gestartet und haben noch eine längere Strecke vor uns. Ich schätze, meine Enkelin wird alle Gräben, Teiche und Wasserstellen gründlich inspizieren, und wir brauchen sehr viel Zeit für die heutige Strecke. Jetzt sucht sie im grünen Kasten nach dem Wanderstempel. Vergeblich. Stempel Nr. 137 wurde anscheinend Opfer von Souvenirjägern. Weiter geht’s.

Buntenbock, Wasserwanderweg

Der Ziegenberger Teich, eingehüllt in einen Mantel bunter Wiesenblumen

Oh nein, nicht schon wieder: Hexenschabernack Nr. 3

Bald landen wir wieder an einer Umleitung. Alles klar. Kennen wir schon. Ohne die Hinweise auf dem Schild näher in Augenschein zu nehmen, folgen wir dem Pfeil. Im Hintergrund lachen sich die Hexen ins Fäustchen, denn wir laufen prompt in die falsche Richtung. Das bemerke ich allerdings erst, als wir an der gleichen Stelle wie gestern ankommen. Und nun? Verwirrt blicken wir uns um. Ein Englisch sprechendes Paar kommt uns entgegen. Hmm, ob die wissen, in welche Richtung Altenau liegt. Fragen kostet nichts. Die beiden Wanderer mit Hund sind natürlich bestens ausgerüstet im Gegensatz zu uns. Sie falten ihre Karte auseinander, zeigen uns, wo wir sind und wohin wir müssen.

Die schrecklichen Waldgeister sind los

Unsere Füße drücken sich in den weichen, nach Fichtennadeln duftenden Waldboden. Zwischen den Bäumen hat sich ein Teppich aus Heidelbeersträuchern ausgebreitet. Wir schlagen uns die Bäuche voll mit den köstlichen dunkelblauen Früchten und spielen „Waldgeister“. Dazu verzerren wir unsere Gesichter zu grausigen furchterregenden Grimassen und strecken die blaue Heidelbeerzunge weit heraus. Mit fürchterlichem Geschrei muss dann der eine Geist den anderen mit seinen schrecklich violett verfärbten Krallenhänden fangen. Das uns manche Wanderer komisch angucken stört unseren Spaß nicht.

Die Hutthaler Widerwaage und der Hirtenstabsprung

Die Hexenstieg-Markierung hat sich mal wieder in Nichts aufgelöst. Nirgends eine Spur. Wir folgen unseren Naturinstinkten, befragen bei Abzweigungen maps.me und freuen uns, als wir am Entensumpf plötzlich wieder auf dem Steig sind. Ich staune über den Fingerhut, welcher in Massen die abgeholzten Flächen besiedelt. Sogar gelb blüht er hier. Zu den Heidelbeeren in unseren Mägen gesellen sich Brom- und Himbeeren. Köstlich.

An der Hutthaler Widerwaage rasten wir. Die Enkelin erkundet ausgiebig die beiden Teiche mit ihrer Holzbrücke. Dann wandern wir entlang des Hutthaler Grabens, wo sie sich im Hirtenstabsprung übt: Wanderstock in das Wasser stecken und vom Weg über den Bach zur steilen Böschung rüber und zurück hüpfen. Nicht ganz einfach, doch sie schafft es ohne nasse Füße.

Hutthaler Widerwaage

Ob die Holzbrücke mein Gewicht wohl aushält?

Hutthaler Graben

Wo ist die Enkelin? Ahh, sie übt den Hirtenstabsprung, hier mal ohne Wasser im Graben

Borkenkäfer auf dem Vormarsch

Nach der Idylle folgt sofort das Kontrastprogramm, welches uns auch die nächsten Tage beschäftigen wird. Ein Harvester frisst sich durch den Wald. Wir hören das Kreischen der Säge, die sich durch den Baumstamm frisst und gleich darauf das Brechen von Ästen. Die Geräusche künden vom verzweifelten Kampf der Forstleute, durch Fällen wenigstens einen Teil der Fichten retten zu können. Die Trockenheit der letzten Sommer schädigte die Bäume enorm. Der Borkenkäfer hatte daraufhin leichtes Spiel. Durch seine explosionsartige Vermehrung versetzte er den leidenden Fichten den Todesstoß. Es bedrückt uns, wenn wir die grauen Stämme oder riesigen Kahlschläge sehen. Müssen alle Bäume gefällt werden? Ist dieser Wald noch irgendwie zu retten? Wenn nein, was entsteht hier in Zukunft durch natürlichen Wildwuchs oder durch Menschenhand?

Harzer-Hexen-Stieg

Immer wieder: Fichtenstapel rechts und links des Weges

Ballermann auf dem Harzer-Hexen-Stieg

Auf verschlungenen Pfaden gelangen wir zum Polstertaler Hubhaus und genießen dort den äußerst leckeren selbstgebackenen Kuchen. Am Nachbartisch lässt sich gerade lärmend eine Gruppe Männer mit nackten Oberkörpern nieder. Verwechseln sie den Ballermann Strand auf Mallorca mit diesem Gasthaus im Harz? Wenn ich mir die Gegend betrachte, ist eine Verwechslung eigentlich ausgeschlossen. Vielleicht wollen sie sich bei einem Bodybuilding-Wettbewerb anmelden und üben gerade das Posen vor Publikum, spekuliere ich weiter. Hm, kann auch nicht sein, dazu fehlt es ihnen an wohlgeformten Muskeln. So reduziert sich der Besuch dieser fröhlichen Gruppe auf nerviges Verhalten und einen betrüblichen Anblick. Zum Glück ist unsere Pause zu Ende, und wir verkrümeln uns in die Ruhe des Waldes.

Verhext auf dem Welterbe-Erkenntnisweg

Wir folgen weiter unserer Eingebung, was die Strecke betrifft, denn mit den Markierungen ist es heute wie verhext. Der Welterbe-Erkenntnisweg „Pumpen und Speichern“ kommt uns gerade recht. Wir lesen, dass das aus den Mooren hierher geleitete Wasser im Hubhaus 18 m hochgepumpt wurde, um das begehrte Silbererz aus den Bergwerken zutage zu fördern.

Weiter führt er entlang des Fortuner Grabens bis zur Oberen Radstube. Das Wasserrad von 1880 mit 10 Metern Durchmesser ist leider nicht mehr vorhanden. Wir sehen nur noch die schützende Mauer. Von hier floss das Wasser weiter in die Untere Radstube. Dort lässt die Enkelin ihre Muskeln spielen, setzt das Schaurad in Gang, und wir erfahren wie das ausgeklügelte Pumpsystem einst aussah und funktionierte.

Wasser für den Bergbau im Harz

Ein ausgeklügeltes Wassersystem für den Bergbau

Welterbe Erkenntnisweg, Harz

Das soll ein Graben sein? Den hatte ich mir ganz anders vorgestellt.

Harzer-Hexen-Stieg, Etappe 2

Das „Untere Rad der Erkenntnis“

Von Giftfallen und „hätten sie mal . . .“

Nachdem wir den Campingplatz überquert haben, geht es im Wald äußerst steil bergauf. Wir kommen zum Gipfel und? Nichts. Wo einmal Fichten standen, ist gähnende Leere. Beklommen durchqueren wir diese trostlose Landschaft. Zeltähnliche Gebilde ziehen die Aufmerksamkeit der Enkelin auf sich. Sie stakst durch das dornige Brombeergestrüpp und ermittelt, dass es sich um Giftfallen handelt. Es ist ein Versuch, dem Borkenkäfer Herr zu werden. Die Enkelin ist empört, weil dadurch sicherlich auch andere Insekten sterben, außerdem meint sie, es sei sowieso nichts mehr zu retten. Besser wäre es gewesen, wenn die Menschen früher einen anderen Wald gepflanzt hätten. Tja, hätten. Haben sie aber nicht. Über verstreut liegende Äste kletternd, den Überbleibseln der Rodungsarbeiten, geht es steil hinunter ins Tal nach Altenau.

Fichtensterben im Harz

Wo ehemals Fichten standen ist nun Leere. Hinten im Tal liegt unser Ziel Altenau

Hier haben wir gewohnt: Hotel garni „Engel“, Altenau
Wir müssen den gesamten Ort durchqueren, um zu unserer Unterkunft zu gelangen. Das Kind nörgelt. Wie schon gestern fallen ihr die letzten Meter des Weges besonders schwer. Die heutige Erwartung an das Hotel: „Hoffentlich können die einen Tisch decken.“ Sie können, wie wir beim Eintreffen feststellen, wo gerade alles für das Frühstück am nächsten Tag vorbereitet wird. Der Empfang durch das holländische Gastgeberpaar ist äußerst nett. Leider wird unsere Freude durch unzählige Hinweise, was wir zu tun und noch mehr zu lassen haben, leicht getrübt. Der Treppenaufgang hätte eine Verschönerung nötig, doch das Zimmer gefällt uns gut. Nachdem wir geduscht haben, sind wir bereit für das Abendessen.

Nur wohin. Die Suche gestalten sich mal wieder schwierig. Das Landhaus Moock, welches man uns empfahl, hat Dienstag geschlossen. Das Restaurant „Alte Aue“ ist ausgebucht. Bleibt der Italiener (Restaurant Parkhaus) um die Ecke. Der ist von der anstürmenden Gästeschar völlig überfordert und dementsprechend ist der Service und das Essen. Meine Nudeln in Knoblauchöl sind völlig misslungen. Wie ein Koch das schafft ist mir ein Rätsel. Die Enkelin verzehrt das, was sich Pizza nennt nur aus einem einzigen Grund: Sie hat Hunger wie ein Wolf, äh – Wölfin.

Hier geht es zu den vorigen Artikeln über den Harzer-Hexen-Stieg:

Am Beginn des Weges:Ankunft in Osterode
Etappe 1: Von Osterode nach Buntenbock

Harzer-Hexen-Stieg

In Buntenbock die Seele baumeln lassen und dann hinein ins kühle Nass