Es wurde ein Abenteuer, welches keiner je vergessen wird…
Das Pantanal ist ein riesiges Sumpfgebiet in Brasilien. Mit einer Größe von etwa ⅔ Deutschlands ist es die Heimat unzähliger Pflanzen und Tiere. So finden Ornithologen dort über 600 Vogelarten. In der Regenzeit, von November bis März wird das Gebiet regelmäßig überflutet und zwei Drittel stehen teils metertief unter Wasser. Vom Juli bis in den September gleichen dagegen weite Teile eher einer Steppenlandschaft. Interessant sind alle Zeiträume, wodurch das Pantanal auf Platz 2 der Touristenziele Brasiliens liegt.
Als wir auf dem Flughafen in Matto Grosso aus dem Flieger stiegen, traf uns die Hitze wie ein Schlag. Stefan, ein Verwandter aus Brasilien, erwartete uns bereits. Zwei Autos warteten am Parkplatz. Die Fahrer luden unser Gepäck unsanft auf die Ladepritsche des Geländewagens. Bis zur Farm lagen noch zwei Stunden Fahrt vor uns.
Wir, das waren Elviras Kinder Philipp und Alexa mit Freund Michel, die zusammen mit Stefan die Altersgruppe U30 bildeten, sowie Elvira, Schwägerin Dorothee und ich, aus der Vorgängergeneration. Den Aufenthalt auf der Fazenda hatte Stefan über seinen Freund Augusto organisiert, dessen Eltern die Farm gehörte. Sie hatte eine Größe von etwa 20 mal 15 Kilometer und die Hauptbewirtschaftung lag in der Rindfleischproduktion. Etwa 1400 Rinder wurden auf dem steppeartigem Land gehalten.
Nach etwa 120 km bogen wir auf den Zufahrtsweg der Farm ein. Auf staubigen Wegen heizten die Driver Heimatluft witternd, entlang der umzäunten Weiden und vorbei an zahlreichen Wasserlöchern mit prächtigem Bewuchs von Wasserhyazinthen. Überall ragten Termitenhügel aus rostroter Erde empor. Einige der weißen Rinder blickten fragend neugierig auf unseren Minikonvoi.
Dann kamen die Wohnhäuser der Farmarbeiter in Sicht. Vorbei an einer Holzsägerei erreichten wir einen zentralen sternförmigen Abzweig und waren 200 Meter weiter endlich am Ziel. Es wirkte alles sehr ruhig und später erfuhren wir, es war Feiertag. Am 7. September feiert Brasilien die Unabhängigkeit von Portugal.
Die Unterkunft und einige Verhaltensregeln
Guto tummelte sich mit seiner Freundin im Pool. Auch Bruno, ein weiterer Freund war dabei. Alle waren gespannt auf den „Deutschen Besuch“. Das ist für Brasilianer schon etwas sehr besonders. Trotzdem hielt er es nicht für nötig, uns entsprechend zu begrüßen. Dafür zeigte uns Stefan, wo unsere Zimmer waren. In dem Gebäude gab es einen Aufenthaltsraum, eine Küche nebst Vorratsraum, sowie 5 Schlafräume. Dazu 3 Wasch- und Toilettenräume. Stefan zeigte uns auch, dass wir in den Waschräumen immer wieder Stöpsel in die Abläufe stecken mussten, damit dort keine ungeliebten Tierchen herauskrabbeln. Außerdem wird das Toilettenpapier nicht mit in das Klo geworfen, sondern in einen Abfalleimer daneben. Ach ja, und vor dem zu Bett gehen, das Bettzeug nach Spinnen checken und die Klamotten vorm Anziehen immer noch einmal ausschütteln, die Schuhe besonders. Die Frauen wirkten nach dieser Einweisung wenig begeistert.
Jedes der Zimmer hatte direkten Zugang zur ausladenden Terrasse. Wie sich das in Brasilien gehört, gab es dort einen gewaltigen Grill, eine Tiefkühltruhe für 500 Liter, ein Waschbecken, einen Tisch für 12 Personen, Stühle, Liegestühle und einen Poolbillardtisch, der seine besten Zeiten längst hinter sich hatte.
Es war sehr heiß und wir lechzten nach einer Erfrischung, was lag also näher als ein Sprung in den Pool. Bei der Gelegenheit begrüßten wir auch ziemlich formlos unseren Gastgeber und seine Freunde. Die Verständigung lief in Englisch, nur Stefan sprach dank seiner Vorfahren gutes Deutsch. Am Rand des Pools stand eine Kühlbox mit Getränken, aus der wir uns bedienen durften. Genüsslich erfreute ich mich an dem Zischgeräusch der Bierdose und entließ ihren Inhalt in meine durstige Kehle.
Vom erhöht liegenden Pool aus konnte man direkt auf eines der vielen Wasserlöcher blicken und dort tauchten gerade zwei Capybaras, Wasserschweine auf, um aus dem kleinen See zu saufen. Jede Menge Vögel flogen aufgeregt von Baum zu Baum und schrien wie Falken. Im Westen sah man eine langgestreckte Bergkette am Horizont, sie gehört bereits zu Bolivien.
Für das Essen waren bis zu 3 Frauen auf der Farm für uns abgestellt. Wir sollten nichts selber machen, denn wer hier Geld hat, hat auch Personal, das sich seinen Lebensunterhalt verdienen will. So gab es am Abend Hirschgulasch mit Reis und Bohnen, danach noch ein Milchreisdessert, bei dem mit Zucker nicht gespart wurde.
Kaimane, es gibt davon 35 Millionen im Pantanal
Nach dem Abendessen wurde der Plan für die nächsten Tage besprochen. Farmbesichtigung, Angeln und drei Tage nach Bonito, ein etwa 80 km entfernter Ort, mit touristischen Highlights. Ein Vorhaben setzten wir noch am selben Abend um. Wir fuhren einige Wasserlöcher der Farm ab, um Kaimane zu sichten. Etwas eigenartig, da es bereits seit 19:00 Uhr dunkel war, aber klang nach Abenteuer. Es wurde eine reine Männerrunde. Wir fuhren mit dem Farmjeep auf der Ladepritsche. Stefan hatte einen starken Scheinwerfer in der Hand und leuchtet den Weg aus. Von dem Lichtkegel fühlten sich tausende von Insekten angezogen, welche uns trotz der rasanten Fahrweise umschwirrten. Richtig doll wurde es dann, als wir am ersten Wasserloch hielten. Stefan schwenkte den Lichtstrahl zum Wasser und dann sahen wir warum. Überall leuchteten helle Lichtpaare zurück. Die Augen der Kaimane reflektierten das Licht der Lampe und verrieten damit ihren Aufenthaltsort. Auf der knapp 350 Quadratmeter großen Fläche zählten wir 18 Kaimane, hier Jacare genannt. Die meisten standen ruhig und abwartend, andere schwammen über den kleinen See.
Am nächsten Loch saß uns ein Capybara im Weg. Geblendet von den Scheinwerfern, zeigte es keinerlei Fluchtreflex. Selbst als wir vom Wagen stiegen, blieb es sitzen und schaute überrascht auf unsere Meute. Wir konnten uns ihm auf einen Meter nähern, ehe es langsam erwog, den Nachtplatz zu wechseln.
Jedes der Wasserlöcher beherbergte je nach Größe ein bis zwei Dutzend Kaimane. In den Bäumen hatten Vögel ihr Nachtquartier und schimpften lautstark über die ungewohnte Störung. Weitere Wildtiere bekamen wir nicht zu Gesicht. Begeistert berichteten wir den Frauen unsere Eindrücke. Nach einem Caipirinha gingen wir zu Bett, natürlich nicht, ohne vorher das Bettzeug gründlich auf unerwünschte Kleintiere untersucht zu haben.
Was man zum Angeln so braucht…
Am folgenden Morgen weckten uns lautstarke Imponierrufe der balzenden Vögel. An Schlafen war nicht mehr zu denken und einer nach dem anderen erhob sich aus dem Bett. Es war gut, das ich als Erster im Bad war, ersparte ich den Damen doch damit den Anblick einer gewaltigen Kakerlake.
Heute war Angeltag angesagt. Dafür wurden zwei Mitarbeiter abgestellt, die uns begleiten sollten. Die Küchenfrauen packten die Kühlboxen voll mit Proviant und Bruno hortete jede Menge Bierdosen und sonstige Getränke auf der Pritsche eines kleinen Transporters. Dazu kamen 8 Angelruten, zwei Außenbordmotoren, Benzin- und Trinkwasserkanister, Klappstühle und Kartons mit Geschirr und Besteck.
Irgendwo dazwischen nahmen wir Platz, hatten aber zusätzlich auch noch einen weiteren Allrad Toyota zur Verfügung. Die Fahrt ging 18 km über Sand- und Schotterpiste. Da ich dummerweise hinten auf der Pritsche saß, legte sich der aufgewirbelte rote Staub wie eine Hülle auf meine von der Sonnencreme eingefettete Gesichtshaut. Zusammen mit dem aufgetragenen Anti Brumm ergab die Schicht aber einen hervorragenden Zecken- und Moskitoschutz.
Unterwegs tat der Allradantrieb gute Dienste, beim Überwinden einiger abenteuerlicher Schlammlöcher. Stefan erklärte noch, dass der Weg erst neu aufgeschüttet wurde, da der alte Weg zu schlammig und meist überschwemmt war.
Am Fluss erwartete uns ein perfekter Platz. Ein befestigter Stand, überdacht, mit Holzfeuerherd, Grill und Pizzaofen, Waschbecken, sowie Tisch und Bänke, bot alles, was ein Brasilianer braucht. Am Ufer lagerten kopfüber zwei Boote, welche Catalino mit Brunos Hilfe sogleich zu Wasser ließ und mit den Außenbordmotoren bestückte. Augusto begnügte sich damit die Angeln auf die Boote zu verteilen und wir anderen räumten die übrigen Lastgüter vom Auto.
Geangelt werden sollte in 2 Etappen. Im ersten Boot nahmen Michel, Philipp, Dorothee und Catalino Platz, im 2. Boot Guto, seine Freundin Isabell und Bruno. Stefan blieb mit Alexa, Elvira und mir am Lagerplatz zurück. Die Boote entfernten sich stromaufwärts.
Stefan und ich sammelten Feuerholz, die Frauen wischten derweil die Bänke und Tische sauber. Als ich einem drückenden Bedürfnis am Waldrand nachgeben wollte, warnte mich Stefan nicht zu weit hineinzugehen, da es hier reichlich Giftschlangen gab. Stattdessen zeigte er mir ein kleines Häuschen am anderen Ende der Lichtung, welchem ich bisher keinerlei Beachtung schenkte. Dort gab es zwei Toiletten in sauberem Zustand. Nur wenige Meter entfernt, stand eine zerfallene Holzhütte, welche vor Jahren für Übernachtungen genutzt wurde. Darin zeigte mir Stefan im getrockneten Lehmboden Spuren eines Onca, eines Jaguars, der diese Unterkunft im vorletzten Jahr als Quartier nutzte und zweimal dort gesichtet wurde. Am Westrand der Freifläche entdeckte ich einen weiteren Schuppen mit einem Generator. Das gesamte Areal dort war verkabelt und ließ sich in der Dunkelheit gut beleuchten, auch die Pumpe für die WC-Spülung wurde so betrieben.
Gut, dass wir Proviant dabei hatten
Wir schnappten uns die beiden Angeln, die zurückgelassen wurden und angelten vom Ufer aus. Mehr als ein Dutzend kleinere Piranhas landete allerdings nicht am Haken. Die Bootsangler konnten bei ihrer Rückkehr auch keine nennenswerten Erfolge vorweisen. Catalino begründete dies mit dem zu niedrigen Wasserstand des Flusses.
Aber wir hatten ja reichlich an Proviant im Gepäck. Bruno feuerte den Holzherd an, während Catalinio, Stefan und ich den Fang schuppten, ausnahmen und reinigten. Als Angler kannte ich mich damit aus. Die Fische wurden unzerteilt in einen großen Topf, mit etwas Salzwasser aufgesetzt. Dazu kamen Zwiebeln, Tomaten, Paprika, Lauch, jede Menge Grünzeug und Gewürze. Die Küchenfrauen hatten gut vorgearbeitet und alle Zutaten kleingewürfelt in Plastiktütchen gepackt. Der Koch brauchte nur hineinschütten. Der Fisch wurde nach dem Garprozess herausgefischt und entgrätet, danach wieder eingerührt. Dazu gab es Brot. Es schmeckte allen ganz vorzüglich.
Die Rückfahrt war versperrt
Während des Mittagessens setzte dann Regen ein und vermieste uns etwas die gute Stimmung. Da er an Intensität zunahm und auch keinerlei Aufheiterung am dunklen Himmel erkennbar war, beschlossen wir den Angeltag abzubrechen. Es war eine gute Entscheidung, denn der Rückweg wies auf Grund der Niederschläge einige sehr rutschige Tücken auf. Doch ein anderes Problem tat sich auf. Ein Baum war gebrochen und blockierte den Weg. Ein Wegziehen war auf dem rutschigen Boden nicht möglich und ein Umfahren erst recht nicht.
Hier trennte sich die Spreu vom Weizen, oder besser der Deutsche vom Brasilianer. Wir Deutschen hätten erst stundenlang beraten, wie dieses Hindernis unter geringst möglichem Aufwand zu bewältigen wäre. Catalino hingegen griff zur Zigarette, besah sich die Sache und holte seine Machete aus dem Auto. Damit schlug er geschickt und kräftig auf den Hauptstamm ein.
Zwar löste er nur kleine Späne vom Stamm, aber steter Tropfen höhlt den Stein und irgendwann war er durch. Mit vereinten Kräften gelang es uns danach die Hälften so beiseite zu ziehen, dass eine Durchfahrt möglich war.
Am Abend bereiteten unsere Gastgeber dann noch ein leckeres Picanha, saftiges Rindfleisch, im größeren Stück gegrillt und anschließend in feinen Scheiben häppchenweise serviert. Dazu gab es verschiedene Salate und reichlich Bier und Wein. Es war ein warmer Abend und wir ließen ihn in fröhlicher Runde spät ausklingen.
Der nächste Morgen begann mit einem Blutbad.
Demnächst geht es weiter…
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